Countryrock ohne Cowboyhut

Berlin (dpa) - Country - das ist nicht nur was für Nashville-Nostalgiker, Cowboyhut-Träger oder Rednecks. Dafür stehen drei neue Alben, die diese uramerikanische „Volksmusik“ bereichern: von Railroad Earth, den Drive-By Truckers und Stone Jack Jones.

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RAILROAD EARTH haben sich auf ihrer siebten Platte am meisten vorgenommen - mit glanzvollem Ergebnis. „Last Of The Outlaws“ (Black Bear/Cargo) ist ein Konzeptalbum, auf dem zwar Fiddle, Lap-Steel, Banjo, Dobro und Akkordeon zu hören sind, also die typischen Country-Instrumente. Aber eben auch viel Piano (längst nicht immer im Honkytonk-Kneipen-Stil, sondern auch mal jazzig), dazu Streicher und Bläser, Flöte und E-Gitarre. Über 70 Minuten und mit langen Instrumentalpassagen entwirft das Sextett aus New Jersey um den Haupt-Songwriter und Sänger Todd Sheaffer ein Klanggemälde von beeindruckender Vielfalt.

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Nach dem noch recht traditionellen Opener „Chasin' A Rainbow“ wird es mit dem getragenen Titelsong bereits einigermaßen experimentell, „Grandfather Mountain“ nimmt sich anschließend neun Minuten Zeit für seine prachtvollen Melodiebögen. Darauf folgt mit der fünfteiligen Suite „All That's Dead May Live Again“ Zentrum und Höhepunkt des Albums. Nach diesen ambitionierten, in alle Richtungen ausfransenden Folkrock-Elegien sind „Monkey“, „Hangtown Ball“ und „Take A Bow“ wieder eher klassischer Stoff im Stil von Uncle Tupelo oder The Jayhawks. Aber der Wagemut dieser Band bleibt jederzeit spürbar. Railroad Earth ist hier eine veritable Countryrock-Oper geglückt.

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DRIVE-BY TRUCKERS haben ein solches Großprojekt bereits hinter sich, mit ihrer „Southern Rock Opera“ gelang der Truppe um Frontmann Patterson Hood im Jahr 2002 der Durchbruch in der Alternative-Country-Szene. „English Oceans“ (ATO/Pias) ist nun schon das zwölfte Album der 1996 gegründeten Band aus Athens/Georgia. Dass diese Südstaaten-Lasterfahrer auch nach fast 20 Jahren und etlichen Line-Up-Wechseln immer noch kraftvollen, wertigen Countryrock drauf haben, daran lassen die 13 neuen Songs - vom Opener „She Shots Count“ bis zum abschließenden, fast achtminütigen Landschaftsbild „Grand Canyon“ - keinen Zweifel.

Hoods etwas dünne Stimme, die an den markanten Fistelgesang von Neil Young nicht heranreicht, ist nach wie vor Geschmackssache. Da klingt der Bariton des zweiten Gründungsmitgliedes Mike Cooley schon kerniger und gefälliger, und er darf auf dieser Platte auch einige Male ans Mikro. Neben den allgegenwärtigen E-Gitarren kommt durch Keyboarder Jay Gonzalez eine neue Klangfarbe ins Spiel - der raue, überhaupt nicht reaktionäre Countryrock-Sound der Drive-By Truckers wird davon aber insgesamt nicht berührt. Ein sehr solides, mit 60 Minuten allerdings etwas zu lang geratenes Album der US-Veteranen.

STONE JACK JONES ist laut Label-Info ein mysteriöser Musiker aus einer Familie von Bergarbeitern, der sich lange in den USA herumtrieb und dann in der Country-Hochburg Nashville landete. Dort traf er unter anderem den Top-Produzenten Roger Moutenot (Yo La Tengo, Sleater Kinney, They Might Be Giants), Lambchop-Boss Kurt Wagner und die Country-Folk-Sängerin Patty Griffin. Auf seinem dritten Album „Ancestor“ (Western Vinyl/Cargo) wirken diese Promis der US-Szene nun teilweise mit.

Es sind Hobo-Balladen im Lee-Hazlewood-Stil wie das Duett „Jackson“, in denen Jones besonders glänzt. Das düstere „Black Coal“ nimmt Bezug auf die einstigen Kohlegruben-Jobs des Singer/Songwriters aus West Virginia. Teilweise näher an Nick Cave oder Mark Lanegan als am typischen Country-Sound, setzt Jones auf Atmosphäre und gibt dafür auch mal einer wehmütigen gestopften Trompete extra viel Raum („State I'm In“). Selbst wenn er zu einem kargen Gospel-Arrangement „Joy's a-coming“ singt, hat man den Eindruck, dass ein hartes Leben bei diesem verwitterten Folk-Barden tiefe Spuren hinterlassen hat. Das etwas andere Country-Album, und eines für späte Stunden.