Das lyrische Ich: Konstantin Wecker wird 65
München (dpa) - Zu seinem 65. Geburtstag bringt Konstantin Wecker einen Band mit seinen gesammelten Gedichten heraus. „Jeder Augenblick ist ewig“ heißt das Buch. Es könnte auch der programmatische Titel seines intensiven und alles andere als langweiligen Lebens sein.
Und der Gedichtband ist noch etwas anderes: ein Statement. „Ich glaube, von meinem ganzen Wesen her bin ich Lyriker. Alles dreht sich um das lyrische Ich“, sagt Wecker im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Auch seine Lieder seien immer Lyrik gewesen. „Ich bin ja angetreten mit dem Wunsch, meine Gedichte zu vertonen und sie so besser an den Mann zu bringen als nur gesprochen.“
Den Weg zum Liedermacher fand er nicht - wie viele seiner Kollegen - über den amerikanischen Folk oder die französischen Chansons, sondern über die italienische Oper. Seine große Liebe zu Puccini ist bekannt. „Meine Wurzeln, die man bis heute auch noch spürt, kommen aus der italienischen Oper. Das ist natürlich ein Riesen-Unterschied“, sagt er. Wecker wuchs als Sohn eines Opernsängers mit Musik auf, lernte Klavier und Geige und sang in einem Kinderchor. Den Weg in ein bürgerlich-geordnetes Leben fand er dadurch nicht - ganz im Gegenteil.
Schon mit zwölf Jahren riss er zum ersten Mal von zu Hause aus. Sein Freiheitsdrang und der Hang zur Anarchie waren unbezwingbar. Nach abgebrochenen Studien der Philosophie und Psychologie und einem Zwischenspiel als Schauspieler in Sexfilmchen wie „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ landete Wecker schließlich doch ganz bei der Musik, trat in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf und feierte 1977 seinen ersten Erfolg mit der Ballade „Willy“ über den Tod eines Freundes bei einer Kneipenschlägerei mit Rechtsextremen.
Irgendwann kamen die Drogen. 15 Jahre lang kokste Wecker und rauchte Crack, bis er schließlich 1995 zum zweiten Mal verhaftet wurde - wegen Drogenbesitzes. Im Jahr 2000 wurde er nach mehreren Instanzen zu 20 Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe verurteilt. Heute hat er die Sucht überwunden - vor allem mit Hilfe von Freunden und seiner Familie. „Ich weiß nur, dass ich damals dem Tod von der Schippe springen konnte“, sagt er heute. „Aber ich denke, bei Suchterkrankungen soll und kann niemand sagen: Ich habe es geschafft. Man bleibt ein Leben lang damit konfrontiert.“
Sein politisches Engagement hat er auch in der persönlichen Krise nicht vergessen. Für ihn ist es Pflicht. „Das Talent bringt die Verpflichtung mit, sich mindestens um diejenigen zu sorgen, die aus dem gesellschaftlichen Raster fallen, die normalerweise keine Stimme haben. Es waren ja immer die Dichter, die ihnen eine Stimme verliehen haben.“
Doch nicht nur mit seiner Kunst will Wecker die Welt verbessern, er ist auch heute noch ganz direkt politisch aktiv - zum Beispiel bei den Antikapitalisten von Occupy - gerade erst war er bei den „Blockupy“-Tagen in Frankfurt dabei - und nach wie vor auch in der Friedensbewegung. Ein Grund, dass er auch mit über 60 noch demonstriert, ist auch ein ganz egoistischer: Er mag die Leute. „Das sind ganz angenehme Menschen, die mir tausendmal lieber sind als diejenigen, die durch die Fußgängerzone hetzen und nichts als Shoppen im Sinn haben. Das sind Menschen, die eine andere, eine friedliche Welt gestalten wollen.“ Das wichtigste aber: „Demokratie muss lebendig sein. Da gehört ziviler Ungehorsam dazu“.
Für seine Ideale will Wecker sein Talent als Liedermacher weiter einsetzen - so lange das noch geht. „Auf die Tatsache, dass mir immer Melodien zugeflogen sind, war ich nie stolz. Das ist ein schönes Geschenk, das ich immer dankbar angenommen habe und bei dem ich immer Angst hatte - und immer noch habe -, dass es eines Tages genau so plötzlich, wie es gekommen ist, wieder weg sein kann.“