Ray Cokes über seine Zeit bei MTV und Facebook
Frankfurt (dpa) - Vor gut zwei Jahrzehnten war der britische Moderator Ray Cokes Kultfigur des Musiksenders MTV Europe. Doch das goldene Zeitalter des Musikvideos ist längst vorbei, heute setzt der 54-jährige Cokes auf Live-Musik und Talk und tourt mit einer Art Rock'n'Talk-Show durch die Lande.
„Ray's Guesthouse“ nennt er das Konzept, bei dem er bekannte Musiker wie Nina Hagen, Shantel und Jupiter Jones ebenso wie Neuentdeckungen zu Auftritten und unkonventionellem Talk einlädt. Am Montagabend startete er seine Deutschlandtournee in Frankfurt am Main, zuvor sprach er mit der dpa über die veränderte Bedeutung von Musik für die Facebook-Generation.
Lange nichts mehr gehört von Ihnen in Deutschland. Wo haben Sie gesteckt all die Jahre seit Ihrem Ausstieg bei MTV?
Cokes: „Die Leute denken, ich wäre nach meiner Zeit bei MTV in den Ruhestand gegangen und würde nun meine Millionen in St. Tropez verprassen. Dabei hat MTV mich gar nicht bezahlt... Ich habe ununterbrochen gearbeitet, zuletzt für das französische und für das belgische Fernsehen. Ich bewege mich zwar nicht mehr auf den Höhen internationalen Celebrity-Daseins mit 600 Millionen Zuschauern, aber dank meiner Zeit bei MTV kennt mich doch jeder über 30. Ich werde am Flughafen nicht mehr hysterisch gejagt, aber doch immerhin noch erkannt.“
Sie treten nun wieder an, um auch unentdeckten Talenten eine Bühne zu bieten. Wie wählen Sie heute Musik aus, wie spüren Sie Trends auf?
Cokes: „Musik ist mein Antrieb. Ich lade mir Musik herunter und kaufe CDs, damit ich etwas in der Hand halten kann, mein iPad ist permanent gefüllt, ich stöbere bei last.fm und Spotify. Ich weiß innerhalb von 30 Sekunden, ob etwas gut oder schlecht ist. Ich hatte das Glück, seit den Sechzigern Perioden starker musikalischer Entwicklungen zu erleben, mit dem Punk in den Siebzigern, Acid House und New Wave in den Achtzigern. Im Moment sehe ich kein nächstes großes Ding. Ich gehe aber mit 54 auch nicht mehr in die angesagtesten Clubs.“
Keine neue Jugendbewegung in Sicht?
Cokes: „Bisher hatte jede Generation ihre große Bewegung. Aber heute? Nichts davon! Stattdessen ist alles in ganz unterschiedliche Gruppen aufgesplittet. Ein großes gemeinsames Ding gibt es da nicht. Früher haben die Jungen gegen ihre Eltern rebelliert, haben Drogen genommen und anderen Unsinn gemacht. Das scheint heute alles nicht mehr so wichtig. Die Bedeutung der Musik wurde durch Facebook- und Twitter-Profile abgelöst. Es gibt auch keine Protestsongs mehr. Meine Idee ist es, handgemachtes Fernsehen zurückzubringen in Zeiten, wo alles formatiert ist. Wir probieren das jetzt mal aus. Wenn es gut läuft, kommen wir im Herbst mit einer großen Tour zurück. Und ich stehe schon in Kontakt mit deutschen Fernsehsendern. Vielleicht machen wir ein TV-Format daraus.“