Depeche Mode: Euphorie und Ernüchterung

Leichte Kost klingt anders: Mit den „Sounds of the Universe“ ist ab dem 17. April das neue Album von Depeche Mode im Handel.

Düsseldorf. Geniestreich oder Schrott? Über kaum ein anderes Album wurde so kontrovers diskutiert wie über den neuen Langspieler von Depeche Mode. Am 17. April kommen die "Sounds of the Universe" in den Handel, nachdem sich manche Hardcore-Fans in Online-Foren zuvor die Finger wund geschrieben haben. Die Antwort auf die Eingangsfrage liegt exakt in der Mitte.

"Ihr denkt alle zuviel nach", brachte es Depeche Mode-Mastermind Martin Gore in einem Interview auf den Punkt, als es wieder einmal darum ging, neue Songs zu interpretieren. Die Kultband war daran nicht ganz unschuldig, ließ sie aus dem Studio heraus doch immer wieder Sound- und Filmschnipsel durchsickern, die postwendend für Diskussionen sorgten.

Sie verstummten, zumindest einen Moment lang, als mit "Wrong" die Vorab-Single Premiere feierte. Kraftvolle Beats, Sound-Spielereien und ein Text, der sich in seiner Dunkelheit politisch auslegen lässt, wenn man hinhört: Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, trifft ebenso auf Beziehungskrisen zu wie auf Kriegsgebiete - und zu falschen Trommeln zu marschieren, ist nicht nur heute ein Wesenszug. Für viele ist "Wrong" daher der beste und tiefste Depeche Mode-Song seit Jahren - und schraubte die Erwartungshaltung höher.

In der Tat wurden einige der 13 neuen Songs nach genau jener Rezeptur zubereitet, die Depeche Mode seit drei Jahrzehnten ausmacht: Dave Gahan gibt den geläuterten Heldentenor, der über Höhen und Tiefen des Lebens sinniert, Martin Gore stellt Falsett- und Gitarrensounds zur Seite, ausgebreitet auf einem schwarzen Flokati aus Synthesizer-Melodien.

"In Chains" eröffnet das Album ungewöhnlich still, nimmt erst allmählich Fahrt auf und gehört dann ebenso wie das stampfende "Hole to feed" und "Corrupt" zu den Höhepunkten. Dazwischen gibt es Versatzstücke. Es klirrt und fiept, die erste Album-Minute klingt nach Tonstörung - und manche "Sounds of the Universe" erinnern an die metallischen Tüfteleien der 80er und 90er Jahre, was auch daran liegt, dass Gore sich mit Equipment aus jenen Zeiten eingedeckt hat. In einem Studio-Video singt er "In Chains" durch den Hals einer aufgesägten Wasserflasche, was in der Fangemeinde an jene Zeit erinnert, als die Band für Sound-Innovation stand.

Wenn Depeche Mode polarisieren wollen, so ist ihnen das mit "Sounds of the Universe" gelungen. Neben dem hymnischen "Peace" sticht vor allen Dingen die von Martin Gore gesungene Ballade "Jezebel" hervor. Sie könnte mit ihren religiösen Anspielungen auch vom nach wie vor besten Depeche Mode-Album "Violator" (1990) stammen.

Zwischen Euphorie und Ernüchterung liegt oft ein schmaler Grat. Manchmal fehlt den Songs die Entschlossenheit, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, aber auch das ist Geschmackssache. Fahrstuhlmusik, Mittelmaß oder gar eine Randnotiz ist das Album jedenfalls nicht.

Selbst in schwächeren Momenten schlägt ein DM-Album die Stangenware aus den Charts noch um Längen. Das war schon bei "Exciter" (2001) so und gilt auch für die "Sounds": Deren Stellenwert wird sich erst später festschreiben lassen - wie bei vielen Alben von Depeche Mode. Und: Auch an "Violator" schieden sich einst die Geister. Neben Selbstzitaten gibt es immer wieder Bezüge zur Musik von Kraftwerk, die eine Elektro-Legende wie Depeche Mode erst möglich gemacht hat.

Mit Gratwanderungen kennen sich Martin Gore, Dave Gahan und Andrew Fletcher schließlich aus, spätestens seit dem überlebten Absturz der Band nach den "Songs of faith and devotion" (1993). Und auch diesmal hat das Trio bewusst vermieden, "Violator 2.0" abzuliefern. Gut so.