Der Rapper mit der Samtstimme

Soul: Nach rauem Hip-Hop macht der talentierte Allround-Künstler Ben Drew alias Plan B nun fingerschnippenden Süßholz-Soul.

Manchmal ist es doch ein Kreuz: Da entwickelt man sich zu einem der kreativsten Köpfe der aktuellen Musikszene, legt ein kraftvolles, einfallsreiches Hip-Hop-Album vor, macht respektable Schritte im Filmgeschäft, inszeniert sogar schon erste Kurzfilme und bringt als zweites Album eine reine, klar perlende Soul-Platte raus. Und dann wird man dafür, dass man experimentierfreudig ist, künstlerisch immer etwas Neues ausprobieren will und von Kritik und Masse dafür auch noch gemocht wird, herb bestraft.

Ben Drew, besser bekannt als Plan B, kennt das Gefühl. Kein Wunder, es ist seine Geschichte, die eben geschildert wurde. Das Album "The Defamation of Strickland Banks", das er im Frühjahr in Großbritannien veröffentlichte, ist in zweierlei Hinsicht eine faustdicke Überraschung: Zum einen, weil Drew sich mit schickem 60er-Jahre-Motown-Sound musikalisch vom rohen Hip-Hop seines ersten Albums emanzipierte. Zum anderen, weil die Platte mit 300000 verkauften Einheiten schon jetzt ein Erfolg ist und immer noch reißenden Absatz findet. So reißend, dass Drews Plattenfirma sein drittes Album, das bereits in der Schublade liegt, nicht veröffentlichen will. Grund: Es ist wieder Hip-Hop. Der Soulsänger Plan B verkaufe sich jetzt aber besser, so die Befürchtung.

Tatsächlich hat Plan B ein Album vorgelegt, das die Welt schon seit zwei Jahren eher von Amy Winehouse erwartet. Aber das Veröffentlichungsdatum ihres dritten Longplayers zögert sich aus bekannten Gründen immer weiter heraus. Nun besetzt plötzlich ein junger Mann ihre Neo-Soul-Nische, dem man alles, nur keinen groovenden Wohlfühl-Swing in bester Stevie-Wonder-Manier zugetraut hätte. Dazu war sein raplastiges Debüt "Who Needs Actions When You Got Words" stilistisch zu grob und thematisch zu explizit.

Wobei dieser Stilwandel nicht weiter verwundert, wenn man sich Ben Drews musikalische Entwicklung vor Augen führt: Er ist ein Autodidakt, der sich in Teenagerjahren das Gitarrespielen selbst beibrachte. Seine ersten Songs, die er improvisierte, kamen eher aus der soften R’n’B-Ecke. "Das war so ein Justin-Timberlake-Kram", nennt Drew das heute.

Sein eigenes Leben betrachtete er als langweilig: "Wir waren weder Arbeiter- noch Mittelklasse, sondern irgendwo dazwischen." Das ließ weder Raum für klassenkämpferische Leidenschaft noch für verzweifeltes Rebellentum gegen ein verspießertes Elternhaus.

Er begann zu beobachten und aus diesen Geschichten Songs zu basteln - aus der Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen, ihrer Abgestumpftheit, ihren Drogenerfahrungen, ihrem aus mangelnder Bildung geborenen Rassismus. Harter Tobak, gepaart mit schweren Beats und einfallsreichen Samples. Die englische Musikpresse rief die Geburt des britischen Eminem aus.

Tatsächlich sind die Parallelen nicht zu überhören. Auch der einst einflussreiche US-Rap-Star legte sich zu Beginn, im Jahr 1999, ein Alter Ego zu, das es ihm ermöglichte, über das Showbusiness aufs Übelste abzulästern, ohne sich selbst zu sehr mit der Häme zu identifizieren.

Das gleiche System machte Ben Drew sich als Plan B zu eigen: Seine Songs haben seit jeher wechselnde Protagonisten, die Desillusionierendes aus dem Londoner Vorstadt-Leben zu berichten haben. Damit baut er, genau wie Eminem, einen bewussten Gegensatz zu den selbstbezogenen Breitbrust-Hip-Hoppern der 80er und 90er Jahre auf.

Auch für seine aktuelle Platte schuf Drew eine fiktive Gestalt, einen gefeierten Sänger und Schauspieler mit Namen Strickland Banks, der unschuldig im Gefängnis landet. Das symbolisiert die Angst des Newcomers vor dem verfrühten Karriere-Aus. Sie dürfte unbegründet sein.