„Der Sänger muss entziffern“

Der Tenor Thomas Hampson, zu Hause auf den Bühnen der Welt, über seine Enthusiasmus.

Herr Hampson, wie haben Sie Ihre Zugehörigkeit zum Rheinopern-Ensemble in Erinnerung?

Thomas Hampson: In einer tollen Erinnerung! Das war eine aufregende Zeit und mein erster Kontakt mit Deutschland. Ich bin von dem damaligen Intendanten Grischa Barfuss sehr freundlich aufgenommen worden. Dann begann das Abenteuer auf der Bühne. Angefangen habe ich mit kleinen Rollen, etwa als Gralsritter in Wagners "Parsifal", übrigens zusammen mit Peter Seiffert, der auch noch am Beginn seiner Karriere stand.

Hampson: Ja, irgendwann kam Rossinis "Barbiere". Jean-Pierre Ponnelle führte damals Regie. Bis heute war das für mich die tollste Barbier-Produktion meines Lebens. Glücklicherweise konnte ich in vielen Ponnelle-Inszenierungen mitwirken.

Hampson: Aber ja! Meine erste Tochter kam hier zur Welt. An Düsseldorf habe ich überhaupt nur schöne Erinnerungen. Ich bin immer so gerne durch den Hofgarten gegangen. Ich bin nämlich ein großer Stadtpark-Freund. Übrigens wurde damals gerade an der U-Bahn gebaut. Wie man sieht, geht es damit gerade wieder weiter.

Hampson: Die Arbeit mit ihr war ein echtes Erlebnis. Ich habe viel von ihr gelernt. Sie hat gezeigt, wie man seine eigenen Gedanken in den Gesang einbringen kann, um ihn lebendig zu machen und von innen heraus zu erforschen, was man da überhaupt singt. Sie war eine sehr strenge und kritische Lehrerin, aber nie ungerecht.

Hampson: Ach ja, aber das ist immer so bei älteren Sängern. Auch damals schon sagten viele, früher sei alles noch viel besser gewesen. Ich hoffe nicht, dass ich irgendwann so bin. Allerdings teile ich ihre Angst, dass wir die Sprache der Musik nicht mehr so wahrnehmen, wie sie vom Komponisten gemeint war. Oper ist nun mal kein Schauspiel mit Begleitmusik.

Hampson: Es ist ein Kompromiss zwischen beidem. Es wäre sinnlos, ohne eigenes Konzept an eine Partie heranzugehen. Es darf nur nicht verfestigt sein. Ich lasse mich gerne von einem Regisseur führen, solange er dem Stück keine neue Geschichte überstülpt. Opernarbeit ist kein Prozess der Entdeckung, sondern der Entzifferung, sie sollte sich von innen heraus entfalten. Man ist als Künstler darauf bedacht, 150 Prozent geben zu können. Das ist aber schwierig, wenn unsere Fähigkeiten nicht richtig wahrgenommen werden.

Hampson: Man hat heutzutage wenig Sympathie für diese Adelsfamilie. Die Vorstellungen von Liebe und Beziehung sind völlig antiquiert. Aber Mozart hat das musikalisch mit so viel Ironie und Schönheit vertont, dass einen die Geschichte amüsiert und emotional berührt. Ohne die grandiose Musik würde man über das großmütige Verzeihen am Schluss etwas lachen. Wenn Sie mich fragen, ist der Graf böse? Dann würde ich sagen. Nein, ist er nicht. Und wenn Sie mich fragen, ist er vielleicht blöd? Dann sage ich: Ja!