Sonic Youth: Experimentell oder nur schlecht gespielt?
Konzert: Die US-Band Sonic Youth präsentiert im Club „3001“ eine schrille Geräusch-Kulisse.
Düsseldorf. Wer offen zugibt, die US-amerikanische Band Sonic Youth nicht zu mögen, ihre Musik nicht als innovativ und stilbildend zu werten, sie am Ende sogar langweilig zu finden, macht sich gleich zweier Todsünden der populären Musik verdächtig. Zum einen präsentiert man sich offenkundig sehr gestrig, zumal sogar die Kunsthalle Düsseldorf die Ausstellung "Sensational Fix" über die Band zeigt und man wieder einmal eines der wichtigeren Ereignisse der zeitgenössischen Kultur über Jahre hinweg komplett verpasst zu haben scheint.
Zum anderen macht man sich der billigen wie fadenscheinigen Ablehnung einer Avantgarde-Band schuldig, weil diese sich mithin an das Kultur-Establishment verkauft habe und somit kein ernstzunehmender Bestandteil der jungen Klangkultur mehr sein könne.
Wen solche Schelte indes nicht anficht, der darf sich besten Gewissens befremdlich fühlen, wenn er die fünf Amerikaner bei ihrem Auftritt im Düsseldorfer Club "3001" beobachtet, wie sie sich ungelenk über ihre Gitarren beugen, diese mit ebenso merkwürdigen Bewegungen bedienen und dazu wenig originell auf dem Schlagzeug herumscheppern. Als lautstarken Begleitvortrag zur eigenen Austellung geben Thurston Moore (Gitarre, Gesang), seine Gattin Kim Gordon (Bass, Gitarre, Gesang), Lee Ranaldo (Gitarre, Gesang) und Steve Shelley (Schlagzeug) sowie Tourbassist Mark Ibold ein zweistündiges Konzert vor rund 1200 Fans.
Für Songs wie "Schizophrenia", "Shaking Hell", "Hey Joni", "The Sprawl", "Bull In The Heather" oder dem Ausblick auf die neue CD "What We Know" steht dazu am Bühnenrand eine Auswahl an 25verschiedenen E-Gitarren bereit, um auf der Bühne zum Einsatz zu kommen. Diese fast schon obsessive Pflege des traditionsreichen Gitarrenhandwerks ist grundsätzlich zu ehren.
Sonic Youth aber verwenden ihre Gitarren auf eher untraditionelle Art und Weise, die ihnen das Prädikat "experimentell" eingebracht hat. Die Spieltechniken, deren sich Sonic Youth befleißigen, sind vor allem heftiges Geschrammel, derbes Zerren an offen gestimmten Saiten und der Einsatz von Geigenbögen und Trommelstöcken, die wiederum selbst die Funktion eines Geigenbogens übernehmen.
Seit aber viele dieser Effekte vor gut vierzig Jahren schon von britischen Musikern breit getreten wurden, wissen wir heute, dass der Ausdruck "experimentell" nichts anderes mehr ist als der große Bruder von "kann nicht spielen". Auch der Kern ihrer musikalischen Aussage, durch die Vielzahl von Gitarrenmodellen zur gesichtslosen Masse.
Sonic Youth haben damit seit 1981 zum Teil sehr erfolgreiche LPs und CDs veröffentlicht. Aber spieltechnisches Unvermögen und den immer eine künstlerisch parfümierte Nuance daneben liegenden Gesang zur Kunst zu erheben, ist von Velvet Underground bereits hinreichend und vollendet gezeigt worden. Sonic Youth stellen ihre Zuhörer vor eine schrill pfeifende Geräuschkulisse, die dem nichts essentiell Neues hinzufügt.
Lässt man sich darauf ein und genießt die Krach-Kunst, hat man einen guten Abend mit einer dementsprechend glänzend agierenden Band erlebt. Andernfalls darf man sich fragen, ob dafür so viele Gitarren auf offener Bühne leiden mussten.