Ees: Weißer Junge, schwarze Musik
Ees (25) ist zwar weiß, aber eben doch ein Afrikaner. Genauer: Namibier. Und er will Kwaito, die Musik der namibischen Slums, in Europa groß machen.
Düsseldorf. Eric Sell alias Ees fällt in Köln-Mülheim nicht auf. Eben noch ein Mittzwanziger in Schlabberklamotten. Aber Ees ist anders. Denn obwohl er weiße Haut hat und - mit ein bisschen Selbstdisziplin - akzentfrei Deutsch spricht, ist er Afrikaner.
Geboren und aufgewachsen in Namibia. Und als einziger Weißer ist er dort ein Star des Kwaito - der populären Ghettomusik im südlichen Afrika. Jetzt will Ees diesen afrikanischen Geist nach Europa tragen. Europa kann ihn brauchen, glaubt er.
Kwaito, das ist englisch-afrikanischer Sprechgesang zu flotten Melodien. Er hat ein bisschen was von Reggae, ein bisschen was von Hip-Hop - der dazugehörige Tanz sogar ein bisschen was von Riverdance.
Kwaito entstand in Südafrika und schwappte vor wenigen Jahren nach Namibia, das einst deutsche Kolonie war. "Sonnenmusik", sagt Ees. Lebensbejahende Töne aus den kleinen Wellblechhütten von Katutura, dem großen Township der Hauptstadt Windhoek. Der musikalische Weg, um auszudrücken: Das Leben ist auch dann lebenswert, wenn man nichts hat.
"Obwohl ich weiß bin und nicht in Katutura wohne, haben sie mich als einen von ihnen anerkannt", sagt Ees. Sein Ururgroßvater war 1886 aus Hamburg nach Namibia gekommen. Trotzdem muss sich Ees heute zusammenreißen, um ordentliche deutsche Sätze zu bilden.
Er ist mit Deutsch, Englisch, Afrikaans aufgewachsen. Und mit dem Südwester-Deutsch, das Ees Nam-Slang nennt: ein deutsch geprägter Mix aller Sprachen. Inzwischen beherrscht der 25-Jährige auch große Brocken der Stammessprachen Oshivambo, Herero, Damara.
Ees ist einer von wenigen Weißen, die schon im noch jungen unabhängigen Namibia nach 1990 eine staatliche Schule besuchten. "Bei uns zu Hause hieß es immer, alle Menschen sind gleich", sagt Ees.
Beides ist auch heute noch nicht unbedingt üblich: In Namibia gibt es private deutsche Schulen, viele der weißen Namibier haben mit der schwarzen Bevölkerung nur zu tun, wenn sie eine Köchin, einen Gärtner oder einen Handwerker suchen. Aber Ees hat schon als Kind selbstverständlich Grenzen überschritten. "Ich war der Einzige, der auf dem Pausenhof mal bei den weißen und mal bei den schwarzen Gruppen stand."
Genauso war er einer der Einzigen, die sich für die Kunst der Slums interessierten, die der Ruch der Armut nicht abschreckte. Schließlich war auch der Blues einst Ausdrucksmittel armer schwarzer Arbeiter. Doch Kwaito beklagt nicht die Ungerechtigkeit des Seins.
Es betont die Hoffnung - wenn auch keineswegs unpolitisch. Viele namibische Jugendliche interessieren sich zwar überhaupt nicht für die Politik, haben aber dennoch Visionen für die Zukunft ihrer noch jungen Gesellschaft.
Wie Ees. In seinem Song "What dey fighting for" kritisiert er die Politik Mugabes in Simbabwe und die Fremdenfeindlichkeit in Südafrika. Zusammen mit dem 42-jährigen Musiker Ras Sheehama, der einst als angolanischer Kämpfer Ees’ Vater in der südafrikanischen Armee gegenüberstand. "25 Jahre später machen wir einen Song zusammen", sagt Ees. "Das ist ein cooles Gefühl!"
Ees brennt für seine Heimat. Deshalb ist er nach Deutschland gekommen. "Ich fühle, dass afrikanische Musik jetzt ihren Kontinent verlassen kann", sagt er. "Kwaito-Musik hat eine solche Energie - es wäre egoistisch, sie für sich zu behalten." Seine weiße Haut, so hofft er, hilft ihm, Deutschland klarzumachen, dass Kwaito alles andere als Folkmusik ist.
Trotzdem ist es ein harter Weg. Tagsüber arbeitet Ees für eine Produktionsfirma, nachts darf er in deren Studio aufnehmen und mischen. Und wie: Gerade hat er sein achtes Album in sechs Jahren vorgelegt. Wie immer mit 80 Prozent Features - schließlich will er Europa die afrikanischen Künstler vorstellen.
Köln ist für Ees ohnehin nur Arbeit. Der Vollzug. "Wenn ich hier durch die Innenstadt gehe, bin ich danach leer", sagt der 25-Jährige. "Deshalb fahre ich oft nach Namibia, um aufzuladen. Ich liebe die Energie der Menschen." Übel nimmt er indes dem Deutschen seinen Hang zur Energielosigkeit nicht: "Die Menschen hier können ja die meiste Zeit nur zum Boden schauen, weil von oben der Regen kommt."