Konzertkritik Die Fantastischen Vier sind Persiflage nur, wenn sie das wollen
Oberhausen · In der Oberhausener Arena geht die Captain-Fantastic-Tour der alternden Rapper zu Ende. Ein Besuch.
Plötzlich sieht Smudo aus, als wäre er nicht 50, sondern 70 Jahre alt. Es sind nur wenige Momente. Aber als der Mann neben ihm sich eine ziemlich alberne, weiße Brille aufsetzt, die er Anfang der 90er Jahre zum Markenzeichen einer jungen Rap-Kombo aus Stuttgart-Wangen erhoben hat, um dann „Die da!?!“ zu singen, und die voll besetzte Arena in Oberhausen ziemlich begeistert mit den „Fantastischen Vier“ gemeinsam darüber nachzudenken bereit ist, wer „die da!?!“ sein könnte, die da am Eingang steht, bewegt sich Smudo wie ein ganz ansehnlich rüstiger Rentner über die Bühne.
Eigentlich – das ist die Botschaft – hat er abgeschlossen mit diesem etwas unseligen Karriere-Opener vom Album „Vier gewinnt“, alles völlig unterproduziert, man hat sich dann ja doch entwickelt über all die Jahre, aber so ist er eben doch dabei: Smudo lächelt, bricht manchmal lachend ab – und tanzt das Ganze fröhlich albern zu Ende. Muss ja.
Manchmal werden Smudo, And. Ypsilon, Thomas D. und Michael Beck zur Persiflage ihrer selbst, aber die gute Nachricht daran ist: das ist ganz und gar selten, und wenn es so ist, dann beeinflussen sie das auch im 30. Karrierejahr noch höchstselbst. „Wir machen das hier noch, weil ihr einfach immer mehr werdet und immer weiter zu uns kommt. So viele Neue – und die anderen einfach immer“, ruft Beck, der seine Kappe „troy“ schief auf dem Kopf trägt, irgendwann in diese Arena. Längst sind die Vier nach zwei Stunden im Zugabenbereich unterwegs, und dann erklingt der Song „Troy“, und alle sind jetzt eine ganz lustige, alternde Gemeinschaft, die sich gar nicht auf die Nerven geht, sondern sich nur versichert, doch eigentlich noch gut drauf zu sein. „Was für ein Tourabschluss im Ruhrpott“, ruft Beck. Es klingt ironiefrei.
Es ist an diesem Donnerstagabend in der Oberhausener Arena das Ende der „Captain-Fantastic-Tour“, auf der es sich die Vier mitsamt ihrer Crew und der Band – Gitarre, Bass, Keyboard und gleich zwei Schlagzeuger – bewiesen haben. Weit über zwei Stunden Programm, kaum kleinere Pausen, immer drei, vier Songs am Stück, Tanzen und Text ohne Ende. Auf den Rängen saßen die Treuen eher nicht bis nie, mal wandelte Smudo beim Song „Spiesser“ im Parkett durch die Schar der Fans, dann hatte Thomas D. seinen Soloauftritt, jeder durfte mal, sogar And. Ypsilon, der sich immer – längst ein Kult – im Hintergrund hält, sang eine Zeile. Und die Menge feierte ihn dafür überschwänglich.
So ging das 36 Stücke lang, mit allen Hits wie „Sie ist weg“, „Zusammen“, „Tag am Meer“, „MfG“, eigentlich fehlte nichts, obwohl so viel da ist über die Jahrzehnte. Und so gingen die Anhänger reichlich zufrieden nach Hause, oft waren es Eltern mit ihren Kindern, die wahrscheinlich Beck und Smudo zuvor beim Casting-Format „Voice of Germany“ gesehen hatten und jetzt erleben durften, dass beide einfach noch viel besser auf der Bühne, also ganz beim Ursprung ihrer Künste aufgehoben sind.
Mit dem titelgebenden „Captain Fantastic“ hatten sie angefangen, alle in schwarz, T-Shirt, Stoffhose im Jogging-Style, weiße Sneakers, Haare grau oder nicht mehr vorhanden. Das Ganze endet mit „Troy“, sie sind durch, abgekämpft. Dankbar. Und froh, dass die Tour zu Ende ist, weil das anstrengend ist. Man ist ja nicht mehr der Jüngste.