Feine Sahne Fischfilet Jan „Monchi“ Gorkow: „Das Bauhaus agiert geschichtsvergessen - das ist erbärmlich“

Düsseldorf · Die Absage des „Feine Sahne-Fischfilet“-Konzerts zum Bauhaus-Jubiläum sehen viele als Einknicken vor der rechten Szene. Im WZ-Interview spricht Sänger Monchi über Links und Rechts, das Verhältnis zu den Toten Hosen - und seine rechte Vergangenheit.

Jan "Monchi" Gorkow von der Band Feine Sahne Fischfilet.

Foto: dpa/Danny Gohlke

Sie sind die derzeit erfolgreichste Punkrockband des Landes. Und die streitbarste: Feine Sahne Fischfilet sind auf einmal in aller Munde. Zu Anfang ihrer Karriere – lange vor den Charts, vor ausverkauften Konzerten und Stadiontourneen mit den befreundeten Toten Hosen – sangen sie Texte, die aufgrund ihrer linksextremistischen und auf Gewalt gegen die Staatsmacht abzielenden Tendenzen zeitweise sogar im Verfassungsschutzbericht auftauchten. Das ist Fakt - und wird nach wie vor von vielen kritisiert. Diese Texte singen sie heute nicht mehr. Dafür setzen sich Frontmann Jan „Monchi“ Gorkow und seine Bandfreunde auf und abseits der Bühne seit Jahren gegen Rassismus, Faschismus und für Menschenrechte ein. Sie organisieren kleine und große Konzerte gegen Rechts – zuletzt vor 95.000 Menschen in Chemnitz. Das Bauhaus in Dessau sagte der Band den eigentlich geplanten Auftritt zum 100-jährigen Jubiläum ab - aus Angst vor Gegenprotesten von Rechten. Die Kritik an dieser Maßnahme reißt nicht ab.

Vor dem Auftritt beim Tourfinale der Toten Hosen in der Düsseldorfer Arena sprach Sänger Monchi in der Band-Zentrale von Campino und Co. – dem Büro der Managementfirma JKP, zu dessen Künstlern auch Feine Sahne Fischfilet mittlerweile gehören – mit uns über sein Leben in der Öffentlichkeit, im Kreuzfeuer und im Sinne der Sache. Er tat es auf diese für ihn so typische, direkte Art. Das Gespräch führte Frank Weiffen.

Herr Gorkow, mit Ihrer Band Feine Sahne Fischfilet waren Sie in diesem Jahr in den Charts, in großen Hallen und an der Organisation des „Wir sind mehr“-Konzertes gegen Rechts in Chemnitz beteiligt. Sprich: Sie waren und sind in aller Munde. Haben Sie sehr viele Nachrichten über die bekannten Kanäle – E-Mail-Konto, soziale Netzwerke – bekommen in den vergangenen Monaten?

Jan „Monchi“ Gorkow: Ja. Zu viele. Allein bei Facebook, Instagram und so. Das kann ich mir gar nicht alles geben – auch weil einfach extrem viel Müll darunter ist.

Sie sprechen es an: Sie werden häufig nicht nur kritisiert, sondern beleidigt für ihrer klaren Aussagen zu politischen und gesellschaftlichen Dingen. Was war zuletzt Ihre Lieblingsbeleidigung?

Gorkow: Ach, das Übliche: „Du fettes Schwein“. „Wir stellen Dich an die Wand“. „Du kannst nicht singen“. Aber ganz ehrlich: Darauf gebe ich nichts. Was willst du zu solchen Leuten sagen? „Wow, jetzt weiß ich, dass ich dick bin! Ist ja was ganz Neues!“ Ich meine: Wir sind eine Band, die sich Feine Sahne Fischfilet genannt hat! Und dann denkt tatsächlich jemand, er könne uns dissen, wenn er uns „Ranzige Sahne Gammelsprotten“ nennt? Uns, die wir ohnehin schon diesen unfassbar coolen Namen haben? Das sagt doch alles über diese Leute aus. Nein: Über sowas mache ich mir keine Gedanken.

Es geht spurlos an Ihnen vorüber?

Gorkow: Man muss das ignorieren. Hätte ich mir nach dem Konzert in Chemnitz die ganzen Beiträge im Internet durchgelesen, wäre ich ja depressiv geworden. Wenn da einer sagt: „Wir wissen, in welches Restaurant du gehst. Das nächste Mal, wenn Du da bist, hast du ein Messer im Kopf“, dann registriere ich das und schaue dann beim nächsten Besuch vielleicht genauer hin. Aber letztendlich ist das alles doch das Internet-Feld. Ich dagegen versuche, mich mit der Realität zu beschäftigen. Und die sieht so aus, dass es mir und uns trotz alldem sehr gut geht. Mit ausverkauften Hallen und Konzerten. Wir haben den Luxus, dass wir so viele tolle Momente haben.

Aber wird man nicht trotzdem vorsichtiger, verliert sogar mal für Momente die Lust, wenn man derart hart angegangen wird?

Gorkow: Nein. Das ist ja nichts Neues. Das kennen wir seit Ewigkeiten. Was neu ist, das ist lediglich diese Intensität. Die Masse an Leuten, die da mitmacht. Das sind nicht mehr nur die organisierten Faschos, sondern auch die Normalos. Zudem: Ganz viele von denen, die da schreien, haben sich bislang null mit uns beschäftigt.

An welchem Punkt würden Sie über Personenschutz nachdenken?

Gorkow: Personenschutz? Niemals! Natürlich sind wir vorsichtig – das waren wir schon immer – und nehmen zu Konzerten wie etwa dem in Chemnitz ein paar Freunde mehr mit. Aber wenn ich mir vorstelle, einen ganzen Tag mit Security durch die Gegend laufen zu müssen, diese Leute in meinem Leben zu haben, mir die Normalität in meinem Leben dadurch nehmen zu lassen – darauf habe ich keinen Bock! Ich lebe nicht mit dem Gedanken: „Oh, Gott, wird jetzt was passieren?“

Eine neue Qualität hat aufgrund Ihres Erfolges auch die Öffentlichwirksamkeit, mit der Sie angegangen werden. Da taucht kurz nach Chemnitz plötzlich mal ein gefälschtes Bild auf, auf dem Sie angeblich den Hitlergruß zeigen.

Gorkow: Ja. Das ist räudig. Aber es war erwartbar. Wissen Sie: Wir stellen da mit 95 000 Leuten zusammen so eine große Sache auf die Beine und lassen uns dabei von niemandem vereinnahmen. Es ist keine Parteiveranstaltung. Es ist keine Aktion, um das Image von Sachsen aufzupolieren nach dem Motto „Hier ist doch alles toll“. Wir machen das nur für die Menschen dort. Und dann: Läuft auch noch alles friedlich ab! Und man merkt, dass genau deswegen extrem viele Leute kotzen. Die würden es lieber sehen, wenn uns das entgleitet und es Krawall gibt. Und dann kommt eben so ein Fake-Foto zustande. Und es ist dann am besten, gar nicht darauf zu reagieren.

Dann wird aber auch noch Ihr geplantes Konzert im Bauhaus Dessau wegen der angeblich linksextremistischen Ausrichtung Ihrer Band abgesagt und zieht eine Debatte quer durch die deutsche Politik- und Kulturlandschaft nach sich.

Gorkow: Dass so ein Ding aus Dessau wird, ist völlig verrückt! Damit hätten wir niemals gerechnet. Wir haben uns aufs Bauhaus gefreut, weil wir derlei besondere, ambivalente Sachen mögen, seitdem wir damals mal im Volkstheater Rostock gespielt haben. Wir sind zwar nicht die einzigen Betroffenen davon, dass CDU und AfD offenbar immer weiter miteinander paktieren und irgendwann wohl auch miteinander koalieren werden. Und ich sage auch nicht, dass irgendjemand von der CDU etwas mit organisierten Nazis abgesprochen hat. Aber dass Politiker dieser Partei mit Nazis zumindest Hand in Hand gehen und eine solche Stiftung derart unter Druck setzen, das ist neu. Die Reaktion der Stiftung ist zudem einfach nur peinlich. Dass eine Institution wie diese derart geschichtsvergessen agiert, finden wir ernsthaft erbärmlich und enttäuschend.

Hat sich jemand vom Bauhaus denn mittlerweile bei Ihnen gemeldet?

Gorkow: Wenn die Verantwortlichen dort ihre Verhalten ernsthaft als Fehler ansehen würden, dann hätten sie uns mittlerweile angesprochen und eingeladen. Das ist nicht passiert. Aber: Es war ja nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass uns so etwas passiert. Wir bieten da offenbar eine riesige Projektionsfläche.

Offenbar. Was antworten Sie denn jenen, die Ihnen Linksextremismus vorwerfen?

Gorkow: Wie oft wurde Bob Marley für sein Lied „I shot the Sherriff“ kritisiert? Bei den Toten Hosen gröhlen im Song „Bonnie und Clyde“ 45 000 Leute die Zeile „Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Bullen um“. Wissen Sie: Es sagt doch schon alles, wenn Politiker von der CDU und von anderen Parteien, die damals auch für unseren Eintrag im Verfassungsschutzbericht verantwortlich waren, uns mit Nazibands wie Landser oder Stahlgewitter vergleichen. Es geht mir nicht darum, dass uns alle Leute feiern müssen. Zugegeben: Wir haben eine große Fresse. Aber: Diese Vergleiche sind einfach nur erbärmlich. Um das zu erkennen muss man doch eigentlich nur mal schauen, was wir in den vergangenen Jahren alles gemacht haben. Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute wollen. Nur Helene-Fischer-Texte? Das wird nicht passieren. Denn wir singen unsere eigenen Stories. Wir singen von dem, was wir selber schon erlebt haben. Und klar ist dabei auch: Manchmal habe ich einfach Gefühle wie „Fick Dich, Bulle!“ Trotzdem verachte ich doch nicht jeden Dorfpolizisten! Wir aber werden so dargestellt, als ob wir sieben Tage lang 24 Stunden am Tag von Hass erfüllt irgendwo sabbernd sitzen und Gewalt wollen. Das nimmt ja absurde Tendenzen an! Und zwar überall: Mittlerweile wird ja Angela Merkel schon von vielen Leuten als Kommunistin dargestellt. Jeder Sozialdemokrat ist plötzlich ein Linksextremist. Und ich bin Stalinist. Dabei weiß jeder, der mich kennt, dass ich so etwas verachte. Aber man kann uns nennen wie man will: Wir machen einfach unser Ding.

Die Gegenseite bezeichnet Sie gerne als Gutmensch und Moralapostel.

Gorkow: Das war ich noch nie. Im Gegenteil: Unsere Realität war früher: Landser hören, saufen, kiffen, „Schrei nach Liebe“ grölen – und dazu abhitlern. Ich hatte Müll – Sexismus, Rassismus – in meinem Kopf und habe auch mal „Neger“ gesagt. Aber: Als 15-jähriger Pinscher war das eben so. Und genau das ist der Unterschied zwischen unserer Seite und denen, die heute hetzen: Ich gehe offen mit meiner Vergangenheit um. Ich habe noch nie ein Geheimnis darum gemacht. Die anderen aber tun so, als ob sie die megageilen Leute sind und das auch schon immer waren. Wenn sich Leute hinstellen, die für die Flüchtlingspolitik zuständig sind und Zustände wie die auf Lesbos mitverantworten, wo ich zuletzt in einem dieser schlimmen Flüchtlingslager war, und diese Leute im Falle unserer Band dann erzählen, wie schlimm sie Gewalt finden, dann denke ich: Das sind Heuchler. Und ich werde mich niemals vor solchen Typen rechtfertigen. Allen anderen kann ich immer nur sagen: „Schaut euch an, was wir in den vergangenen Jahren so gemacht haben. An diesen Dingen könnt ihr uns messen.“ Denn diese Dinge sprechen für sich. Das sind Dinge, auf die wir – das darf ich, glaube ich, mit gutem Gewissen sagen – stolz sein dürfen. Wie gesagt: Wenn alle so wild sind und abdrehen, dann ist es das Beste, dass wir Ruhe bewahren und Taten sprechen lassen.

Die Toten Hosen nahmen Sie unter ihre Fittiche. Die haben in der Jugend auch Proteste erlebt – gegen AKWs, gegen Rechte, für den Frieden. Erzählen Campino und Co. Ihnen manchmal von damals?

Gorkow: Auf jeden Fall. Wir tauschen uns aus. Aber nicht so, dass man sich da jetzt irgendwelche Heldengeschichten erzählt. Die haben einfach ein offenes Ohr. Gerade, wenn wir mit Sachen mal überfordert sind, in die sich Außenstehende nicht hineinversetzen können. In solchen Situationen ist es ein gutes Gefühl, jemanden zu haben, der schon alles erlebt hat – von cool bis räudig. Und das ist bei den Hosen der Fall. Es ist toll, zu wissen, dass man sie immer anquatschen kann. Dass man Campino mal fragen kann: „Wie gehst Du denn mit Dingen nach Chemnitz um? Können wir mal reden?“ Und dann erzählt Campino einem eben, dass die Band damals, nach der Veröffentlichung ihres Anti-Rechts-Songs „Sascha“, auch Mordrohungen erhalten hat.

Könnten Sie Campino auch nachts um drei anrufen?

Gorkow: Das würde ich nicht machen. Aber vor dem Chemnitz­-Konzert war es beispielsweise so, dass ich ihn abends um 23 Uhr fragte, ob ich ihn am nächsten Morgen treffen könne – und tatsächlich um 10 Uhr früh bei ihm saß. Und um 15 Uhr war dann klar: Die Hosen sind dabei. Solche Dinge sagen schon eine ganze Menge über Menschen aus. Das spricht für sich.

Sie sind für Ihre klaren Aussagen bekannt. Denken Sie in der Öffentlichkeit heutzutage dennoch mehr nach über das, was Sie sagen, als früher – weil plötzlich, überspitzt gesagt, das ganze Land zuhört?

Gorkow: Ja. Aber nicht weil das ganze Land zuhört. Sondern weil man die Situation bedenken muss. Es gibt Situationen, da kann man einfach nur mal abasseln. Das tue ich auch mal gerne. Aber wenn – Beispiel Chemnitz – eine Woche zuvor in dieser Stadt ein Mensch abgestochen wurde und Nazis versuchen, das für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, dann hat man gute Worte zu wählen und nicht auf Clown zu machen. Darauf achte ich mehr als früher.

Sie sprachen es bereits an: Sie waren kürzlich am Mittelmeer, um auf einem Flüchtlingsboot mitzufahren. Sie haben ein Flüchtlingslager auf Lesbos besucht. Sie waren in Syrien. Das sind Dinge, die für viele Künstler nicht selbstverständlich sind.

Gorkow: Ich weiß nicht…

Ist Ihnen Lob für derlei Dinge peinlich?

Gorkow: Nein. Aber wenn ich am Mittelmeer bin, dann erfüllt es mich eher mit Scham, dass ich zu wenig mache. Es muss mich niemand dafür zu feiern, dass ich mal eine Woche da runter fahre. Dass ich mit anderen im Lkw an die türkisch-syrische Grenze fahre. Dass ich mich auf ein Schlauchboot zwischen der griechischen und türkischen Küste lege, in das am ersten Abend 396 Menschen steigen – nur einen Tag, nachdem ich mir im Saarland mit den Toten Hosen die Birne vollgesoffen habe. Denn das zeigt ja: Ich fahre wieder nach Hause. Aber es gibt Leute, die reißen sich da regelmäßig den Arsch auf – und werden nicht dafür gefeiert. Ein guter Freund von mir war Kapitän der Seawatch und hat in den vergangenen Jahren 4100 Menschen das Leben gerettet. 4100 Menschen! Stellen Sie sich vor, Sie retten nur einem Menschen das Leben! Das wäre ja schon unfassbar! Genau diese Leute gehören gefeiert! Diese Leute, die Menschen aus dem Wasser ziehen! Auf die muss man sich konzentrieren. Ich brauche mich da nicht feiern zu lassen.

Wie schwer ist nach solchen Erlebnissen die Rückkehr in die sichere Heimat?

Gorkow: Wenn ich von solchen Fahrten wiederkomme, dann brauche ich eine zeitlang, um wieder runterzukommen – damit ich nicht alles peinlich finde, was ich dann mit der Band mache. Damit ich Probleme noch ernst nehme. Wenn man vor so einem Ort wie Moria steht, diesem ersten Auffanglager auf Lesbos, in das die Leute eingesperrt werden, wenn sie nicht zuvor ertrunken sind, dann (überlegt)… Anders: Wenn hierzulande alle so schockiert sind, dass die Faschos sagen: „Diese Leute sollen alle ersaufen oder eingesperrt werden“, dann denkt man sich: „Genau das passiert doch. Das macht die Politik schon.“ Und wenn man dann nach Hause kommt, dann denkt man, dass man einfach nur sehr dankbar sein kann dafür, wo man geboren wurde. Eine Sache, für die man nichts getan hat. Das war reines Glück.

Wie ziehen Sie sich in derlei Momenten wieder in den Alltag zurück?

Gorkow: Die Musik hilft mir dabei. Das hätte ich früher nie gedacht – weil Musik früher für mich auch nie so wichtig war. Mittlerweile ist sie aber ein wichtiges Ventil für mich, weil ich in Songs wie beispielsweise „Suruc“ oder „Angst frisst Seele auf“ solche Erlebnisse verarbeiten kann. Erlebnisse wie in Syrien. Oder die Erfahrungen einer verzweifelten Freundin, die im NSU-Untersuchungsausschuss saß und im Lied einer rechtsradikalen Band Morddrohungen bekam.