Poträt Die Metamorphose der Sarah Connor
Verletzlich statt makellos und wahrscheinlich deshalb so erfolgreich: Sarah Connor hat sich von ihrer früheren Rolle emanzipiert.
Düsseldorf. „Und jetzt singen mal nur die Männer“: Das sind so bekannte Spielchen, die Künstler bei ihren Konzerten gerne einbauen, um ihr Publikum zu animieren. Doch im Vergleich zum lautstarken Frauen-Chor fällt das vermeintlich starke Geschlecht gnadenlos ab. Ein bisschen Brummen ist zu hören, mehr nicht. Kein Wunder: Sarah Connor macht eben Frauenmusik, und das sehr erfolgreich. Authentisch und einfühlsam singt sie über Mutter-Kind-Beziehungen, die beste Freundin oder den Verflossenen, der sich gerade mit einer anderen vergnügt.
Das kommt bei Mädchen und Frauen zwischen acht und 80 blendend an. Weil es die Wahl-Berlinerin glänzend versteht, ihnen aus der Seele zu singen. Dass so wenige Männer da sind, nimmt die 36-Jährige mit Humor. Wie so vieles an diesem Abend. „Ich komm’ grad direkt von der Milchbar“, verrät die vierfache Mutter, die im Januar erst Sohn Jax Llewyn zur Welt brachte. „Meine Mutter passt hinter der Bühne auf. Die schafft es sogar, dass er um halb zehn schläft.“ Zwei Stunden „kinderfreie Zeit“ habe sie nun, „und alle von euch, die Kinder haben, wissen, wie wertvoll die sein können“.
Nach einem Drittel wechselt sie kurz ins Englische, um in einem Medley den Songs zu huldigen, die sie Anfang des Jahrtausends über Nacht zum Superstar machten. „One Night Stand“, „Let’s Get Back To Bed-Boy!“, „French Kissing“ - damals, mit Anfang 20, sang sie all diese Charthits. Aus der Feder anderer, die es offensichtlich für eine besonders geschäftsträchtige Idee hielten, der Blondine möglichst sexualisierte Texte auf den schönen Leib zu schreiben.
An die Sarah von damals, die mit durchsichtigem Kleid bei „Wetten, dass…?“ einen Medienskandal provozierte oder sich zur besten Sendezeit mit dem späteren Dschungelkönig Marc Terenzi das Ja-Wort gab, erinnert heute nichts mehr. Jetzt steht sie mit Schlabber-Hemd, schwarzem Hut und unscheinbarer Lederjacke auf der Bühne, erfrischend lässig, uneitel und im besten Sinne gereift.
Nicht wenige Besucher beim ausverkauften Düsseldorf-Gig hätten vor drei Jahren wohl noch freundlich abgewunken, wenn man sie zu einem Konzert der Sängerin eingeladen hätte. Doch dann kam „Sing meinen Song“ und ihr erstes deutsches Album „Muttersprache“, mit dem sie jetzt schon zum dritten Mal auf Tour geht und die großen Hallen der Republik füllt. „Das kann ich selbst kaum glauben, dass ihr die Platte immer noch so feiert.“
So glänzend und erfolgreich die Gegenwart auch ist: Ein paar Ausflüge in die Vergangenheit gibt es auch. „From Sarah With Love“ startet als akustisch-zarte Bossanova-Ballade, um im finalen Drittel dann in pathetischen Bombast der Originalfassung auszubrechen. Noch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat „Rock With You“. Bei dem frühen Hit ihres Idols Michael Jackson kann die Connor ihre erstklassigen stimmlichen Qualitäten, ihr wohliges Soul-Timbre wunderbar ausspielen — viel mehr noch als bei vielen ihrer neuen, deutschen Titel.
Zu „Bonnie & Clyde“ bittet sie Support-Act Henning Wehland in den Ring, um gemeinsam einen kraftvollen Schwur auf ewige Freundschaft zu schmettern. „Ich bin einfach besser darin, traurige Lieder zu singen“, gesteht die Sängerin, und tritt mit „Keiner ist wie du“ (Original: Gregor Meyle), „Wie geht glücklich?“ und „Das Leben ist schön“ den Beweis an.
Nach so viel Emotionsüberschuss und vier langsamen Nummern am Stück, die sie entspannt auf dem Barhocker sitzend singt, ist man dann aber doch ein bisschen froh, wenn mit „Bedingungslos“ und vor allem „Kommst du mit ihr“ das Tempo wieder deutlich angezogen wird. In der druckvollen Popnummer dreht sich wieder alles um Sex, wie in den früheren Hits. Doch Sarah ist jetzt nicht mehr das laszive Objekt der Begierde, sondern die Betrogene, die sich nachts um vier betrinkt und schier wahnsinnig wird vor Eifersucht. Verletzlich statt makellos. Und wohl gerade deswegen: So erfolgreich wie nie.