Die Musik der Freiheit: Depeche Mode und die DDR

München/Chemnitz (dpa) - Der 7. März 1988 war ein ganz besonderes Datum für Depeche Mode-Fans in der DDR. Damals, um kurz nach 20 Uhr, rief Frontmann Dave Gahan in der Werner-Seelenbinder-Halle „Good evening, East Börlin“.

„Nicht wenige hatten Tränen in den Augen“, schreiben die Herausgeber Dennis Burmeister und Sascha Lange in ihrem Buch „Depeche Mode: Monument“, aus dem sie Auszüge auf „Zeit Online“ veröffentlichten. Die britische Band, die damals schon rund ein Jahrzehnt in Amt und Würden war, war für die DDR-Jugend nicht weniger als ein Symbol für Freiheit und die große weite Welt.

Wenn Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher also an diesem Samstag im Münchner Olympiastadion ihre Deutschland-Tournee starten, dann ist das vor allem für viele Fans in Ostdeutschland ein ganz großer Tag. Mit den Verkaufszahlen für ihre neues Album hat die Band es einmal wieder bewiesen: Viele ihrer treuesten Fans haben sie in Deutschland. Im April schaffte „Delta Machine“ aus dem Stand den Sprung an die Spitze der deutschen Album-Charts. Und die allertreuesten Anhänger hat die Band unter anderem in Chemnitz.

„Die Faszination sprang mit den ersten Songs über“, sagt der 40-jährige André Liebert. Im Jahr 2010 gründete er den Chemnitzer Depeche-Mode-Fanclub, der heute rund 500 Mitglieder zählt und nach Angaben Lieberts der wohl größte aktive im Osten ist. „Als DDR-Fan war ausschlaggebend, dass mit der Band die Sehnsucht nach Freiheit verknüpft wurde“, sagt er. „Mit den ersten paar Liedern, mit diesen Industrie-Klängen, verknüpfte sich eine Unerreichbarkeit mit diesem Freiheitsgefühl. Aber die Faszination ist schwer in Wort zu fassen.

Burmeister und Lange haben genau das versucht. Die Synthie-Pop-Band habe mit ihrem Industrie-Sound und Posen vor Industrieanlagen dem Alltag vieler Jugendlicher einen neuen Blickwinkel verschafft. „So entstand ein von der Band nie beabsichtigter besonderer Bezug zwischen ihrer Ästhetik und den Lebensumständen der Jugendlichen in der DDR. Das half, sich die graue Realität im Osten bunter zu denken.“

Das allerdings war gar nicht so leicht. Ende der 1980er Jahre waren nur wenige Lieder der Band in der DDR bekannt, „Wir kannten sie nur bruchstückhaft und haben ihre Musik in Schülerdiscos gehört“, sagt Liebert. Daran, die Musiker einmal live zu sehen, sei nicht zu denken gewesen. Auch von jenem, weitgehend geheim gehaltenen Konzert in „East Börlin“ habe er erst ein Jahr später erfahren. „Das war ja als FDJ-Geburtstagsveranstaltung angekündigt“, sagt der Chemnitzer. Er habe gehört, dass Fans, die davon Wind bekamen, bis zu drei Lehrlingsgehälter für die Karte ausgaben, ihr Moped oder sogar einen Trabbi.

„Depeche Mode ist kein Mainstream, die Band polarisiert sehr. Aber wenn die Leidenschaft einmal geweckt ist, bleibt sie ein Leben lang“, sagt Liebert. „Ich habe früher nie gedacht, dass man mal in die Lage kommt, an so einem Konzert teilnehmen zu können.“ Mit seinem Fanclub aber hat er die Band allein bei ihrer aktuellen Tour in Wien gesehen und bei einem kleinen Warm-Up-Konzert in Nizza, zu dem er mit 20 Mitstreitern im Kleinbus anreiste. Auch beim Deutschland-Start in München will er dabei sein.

Die Mitglieder seines Fanclubs seien zwischen 20 und 50 Jahren alt und bunt gemischt. „Vom Arbeitslosen bis zum Sparkassen-Filialleiter ist alles dabei“, sagt Liebert. „Es gibt keine sozialen Grenzen.“ Und auch der Nachwuchs stehe schon in den Startlöchern. Auf den Konzerten sieht man inzwischen immer mehr Familien. „Meinem fünfjährigen Sohn gefällt die Musik auch. Ich muss aber auch sagen, dass er nicht viel anderes zu hören kriegt.“

(Dennis Burmeister und Sascha Lange, Depeche Mode: Monument, Blumenbar Verlag, 424 Seiten, ISBN 978-3351050030)