Elke Heidenreich: Ohne Musik könnte ich nicht leben
Frankfurt/Main (dpa) - Elke Heidenreich (67) gilt als Literaturkennerin. Doch immer mehr macht sie sich auch als Musik- und Opernexpertin einen Namen. Kürzlich erschien das von ihr herausgegebene Buch „Ein Traum von Musik“ (46 Liebeserklärungen Prominenter an die Musik), und ab dem 10. Dezember übernimmt sie die Moderation der Gesprächsreihe „Oper lieben“ an der Oper Frankfurt.
Sie löst den früheren ZDF-Journalisten Steffen Seibert ab, der inzwischen Regierungssprecher in Berlin ist. Mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Heidenreich über den Zauber der Oper, verrät, woran ihre eigene Musikerkarriere scheiterte und dass Musiker ihr Herz im Sturm erobern. Ihre Lieblingsoper ist „Don Carlos“ von Giuseppe Verdi. „Derzeit!“, betont sie. Das wechselt.
Freuen Sie sich auf die Moderation von „Oper lieben“? Wie ist überhaupt Ihre Verbindung zur Oper Frankfurt?
Heidenreich: „Ich freue mich riesig! Meine Verbindung ist, dass ich, wann immer ich in Frankfurt bin, zum Beispiel während der Buchmesse, mir einen Abend freinehme und in die Oper gehe. Ich liebe meine Kölner Oper, ich gehe auch sehr oft in Bonn in die Oper, aber Frankfurt hat über die Jahre hinweg immer ganz erstaunlich tolle Inszenierungen gehabt. Ich hoffe, dass ich diese Gespräche auch fachkundig und gut leiten kann. Ich bin ja kein Musikwissenschaftler, ich bin einfach nur Opernliebhaberin.“
Was sagen Sie Opern-Banausen, weshalb man die Oper lieben muss?
Heidenreich: „Weil die Oper erstens etwas ganz Europäisches ist und zu unseren europäischen Kulturwurzeln gehört. Und sie ist ein wunderbares Gesamtkunstwerk. Man sitzt da, es wird dunkel, es passiert also etwas auf einer Bühne, es ist ein Theaterstück, es wird gesungen. Es spielen 60 bis 80 ausgebildete Musiker live im Orchester - keine Konserve! Es ist wirklich die Mischung aus Literatur, Malerei und Schauspiel - etwas ganz Besonderes! Und diesen wunderbaren künstlerischen Luxus sollte sich doch jeder ab und zu mal leisten!“
Wie sehen Sie die Debatte um die mangelnde Kostendeckung der deutschen Opern-Häuser?
Heidenreich: „Da werde ich ganz fuchsig. Ich habe gerade wieder die Aufstellungen gelesen, wie Steuergelder verschwendet werden bei sinnlosen Planungen von Brücken, die es gar nicht braucht, bei falsch gebauten Tunnels, die abgerissen werden müssen. In Köln, wo jahrelang an einer U-Bahn herumgedoktert wird für Milliarden und dann Sachen zusammenstürzen, weil gepfuscht oder geklaut wird. Ausgerechnet an der Kultur hängt man sich immer auf, wenn es ums Sparen geht. Ich finde den Gedanken unerträglich, in Bonn jetzt die Oper abzuschaffen. Was auf dem Rücken der Kulturpolitik passiert, ist zerstörerisch.“
Wenn Sie auf eine einsame Insel entweder Bücher oder Ihre Musik- Sammlung mitnehmen dürften, wofür würden Sie sich entscheiden?
Heidenreich: „Letzten Endes für die Musik, weil ich in den Opern die Geschichten ja auch habe. "La Traviata" zum Beispiel ist die "Kameliendame" von Dumas. Die Oper ist für mich Literatur und Musik. Ich brauche die Bücher sehr für den Kopf und mein ganzes Leben, aber ich bin ja mit Büchern gefüllt bis obenhin, während ich von Musik nie genug kriegen kann. Ohne Musik könnte ich gar nicht leben. Aber letztlich ist die Frage wie die Wahl zwischen Essen und Trinken - man braucht beides!“
Sie spielen Klavier, Akkordeon, haben jahrelang im Bach-Chor gesungen. Woran ist ihre eigene Musikerkarriere denn gescheitert?
Heidenreich: „Nein, das wäre nie möglich gewesen! Es reicht die Begabung nicht und ich habe viel zu spät angefangen. Ich habe mit Sicherheit auch nicht die Disziplin, acht Stunden am Tag zu üben. Ich wäre auch nicht lieber Musikerin geworden, ich bin sehr gerne das, was ich bin. Aber ich habe mich jetzt bemüht, die Musik in meinen Beruf etwas mehr reinzuziehen. So dass ich jetzt einmal im Jahr über ein großes Festspiel schreibe für die "FAZ" - und nicht aus der Sicht des Musikkritikers, sondern über das Ganze, die Atmosphäre, über das, was da abgeht - Salzburg, die Puccini-Festspiele in Torre del Lago... Im nächsten Jahr fahr' ich zum Baron zu Guttenberg an den Chiemsee.“
Sie sind ja mit dem Pianisten und Komponisten Marc-Aurel Floros liiert, haben zuletzt ein Melodram für ihn geschrieben. Planen Sie weitere gemeinsame Projekte?
Heidenreich: „Wir arbeiten gern zusammen, und wir haben in der Schublade ja noch eine Oper, die "Adrianas Fall" heißt. Die sollte 2008 uraufgeführt werden in Köln, aber Marc-Aurel Floros war wirklich todkrank und lag lange im Krankenhaus. Danach hatte er andere Aufträge. Aber jetzt sitzt er mit vollem Eifer an dieser Oper und wir hoffen, dass sie im nächsten Jahr irgendwo unterkommt.“
In dem Vorwort zu „Ein Traum von Musik“ schreiben Sie, dass sie sich im Leben immer wieder in Musiker verliebt haben. Wieso ist das so?
Heidenreich: „Wenn man ein junges Mädchen ist, verliebt man sich ja auch in Rockmusiker - von den Beatles über die Stones bis zu Bon Jovi und Tokio Hotel - da sind immer Mädchen, die kreischen, wenn da vorne einer singt. Das hat etwas mit der Musik zu tun, weil Musik etwas so Sinnliches ist, weil einem das so reinfährt. Und das war bei mir auch immer so: Wenn sich einer hinsetzt und Klavier oder Gitarre spielt, bin ich einfach weg.“
In diesem Buch, das in Ihrer Musik-Edition bei C. Bertelsmann erschienen ist, machen 46 Prominente der Musik eine Liebeserklärung. Welcher Beitrag entzückt Sie am meisten?
Heidenreich: „Ich habe sie alle lieb. Mich hat sehr gefreut, dass zum Beispiel sofort Hans Werner Henze, der doch ein alter Mann von über 80 ist, mir einen kleinen Beitrag geschrieben hat, der zu den ganz poetischen gehört. Er schreibt über die Musik in der Natur, über das Summen der Bienen, das Singen der Vögel - das fand ich schön. Michael Krüger hat ein Gedicht geschickt, ein trauriges Gedicht auf den einsamen ungeliebten Schubert. Eine der schönsten Geschichten ist die von Senta Berger über ihren Vater. Und dann hat mich literarisch sehr erstaunt die Geschichte von Udo Jürgens. Der kann wirklich gut schreiben.“
# dpa-Notizblock
## Internet -[Infos zu Oper lieben](http://dpaq.de/pJHiK)
## Orte -[Oper Frankfurt](Untermainanlage 11, 60311 Frankfurt am Main)
## Service - Elke Heidenreich (Hrsg): Ein Traum von Musik. 46 Liebeserklärungen, Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, München, 384 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-570-58014-1