Experten in Sachen Widerspruch
Die Kölner Band Klee veröffentlicht ihr viertes Album „Berge versetzen“. Wie auf den Vorgängern lassen sie darauf die Synthesizer surren – passend zur sommerlichen Schwüle.
"In Klausur gehen", nennt man das im Pop-Business, wenn man sich ein für paar Wochen in einem schicken Ferienhaus einmietet, am besten in südlichen Gefilden mit Strandnähe gelegen. Andere nennen das "Urlaub machen", und mit Sicherheit gibt es auch die eine oder andere Band, bei der das lauschige Get-Together auf nichts anderes hinausläuft. Klee allerdings haben ihren Abstecher an die portugiesische Algarve im Frühjahr 2007 tatsächlich zur intensiven Vorbereitung auf ihr neues Album genutzt. Der Vorgänger war damals gerade erst ein halbes Jahr draußen. Egal - schließlich ist es nicht das Nichtstun, für das man die Wahl-Kölner kennt.
Jährlich bis zu 150 Gigs, seit 2001 vier Longplayer, dazu regelmäßige Auftritte in Funk und Fernsehen, am prominentesten ihre Teilnahme an Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest 2005", wo sie als relativ unbeschriebenes Blatt einen ehrenvollen zehnten Platz für das Saarland ersangen. "Gold" hieß die Single, als von peitschenden Gitarrenriffs durchsetzter Elektro-Song exemplarisch für Klee, in seiner melodiösen Intensität allerdings herausragend.
Dieses satte Spiel mit den Synthesizer-Untiefen ist auch kennzeichnend für das neue Album: "Berge versetzen" wollen sie, die Kluft zwischen Himmel und Erde überwinden, in der Brust bewusst "Zwei Herzen" schlagen lassen, wie die erste Single verlautbart - eben all die Gegensätze überwinden, die das Leben kennzeichnen, aber nicht unbedingt leichter machen. Die Texte haben Suzie Kerstgens, Sten Servaes und Tom Deininger wie immer im losen Zusammenspiel mit Songschreiber Tom Liwa konzipiert - eine Zusammenarbeit, die auf die Zeit zurückgeht, als Servaes und Deininger noch zu zweit Musik machten.
Kerstgens, das ätherische Gesicht des Projektes, lernten sie erst 1997 kennen. Gemeinsame Helden, die Smiths oder auch The Who, führen zur Gründung einer Band, Ralley mit Namen. Zwei Alben veröffentlicht das Trio, bis sie 1999 mit dem Tourbus verunglücken, Servaes und Deininger so schwer, dass Auftritte nicht mehr in Frage kommen. Der Traum vom Popstar schien zerplatzt auf dem Rückweg vom Videodreh.
Wie eng die Bande waren, die Kerstgens mit den beiden Jugendfreunden geknüpft hatte, bewies die Wiedervereinigung nach erfolgreicher Gesundung. 2001 trauen sich die Drei noch einmal, diesmal nennen sie sich Klee. Weniger wegen des symbolischen Glückscharakters der Pflanze, sondern vielmehr als Hommage an Malerfürst Paul Klee. "Unsere Musik", sagte Kerstgens einmal in einem Interview, "ist wie ein Bild von Klee". Gemeint waren damit vor allem seine großflächigen Werke, unterteilt in verschieden farbige Rechtecke.
Ganz unrecht hat die 37-Jährige damit nicht. Formal kompakt und übersichtlich präsentiert, schimmert bei den melancholischen Songs die Vieldeutigkeit des Daseins hindurch, das Unfassbare, das immer dann in das vermeintlich geordnete Leben linst, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Diese Unkonstante heißt Liebe, und für Klee wird sie zum Grundmotiv. Auch auf "Berge versetzen" spielen sie all die Momente durch, in denen man nicht weiß, warum man nicht will, wie man eigentlich müsste. Ein Plädoyer fürs Fallenlassen.