Fanta 4: Fantastisch ohne Fehl und Tadel
Hip-Hop: Mit welcher Beständigkeit Die Fantastischen Vier gute Alben abliefern, ist beängstigend. „Für Dich immer noch Fanta Sie“ macht da keine Ausnahme.
Auch diesmal musste es ein Wortspiel sein. "Für Dich immer noch Fanta Sie" lautet der Titel des neuen Albums der Fantastischen Vier. Was so patzig und undankbar klingt, entpuppt sich bei genauerem Lesen als verheißungsvolles Versprechen, das so viel bedeuten soll wie: Deutschlands erfolgreichste Hip-Hop-Band bleibt auch in Zukunft kreativ, experimentierfreudig und unberechenbar. Punkt.
Gezweifelt hätte daran sowieso niemand. In ihrem mittlerweile mehr als 20 Jahre währenden Schaffen haben sie musikalisch wie auch textlich auf einem beängstigend hohen Niveau gearbeitet, an ihren Reimstilen gefeilt, Sampletechnik und Postproduktion verfeinert, sich dabei aber letztlich nie in verkopften Ego-Touren verfangen, sondern immer ein kompaktes, verständliches Hörerlebnis abgeliefert. Die Fantastischen Vier beherrschen das Metier Pop, also die Fähigkeit, Trends zu setzen und dabei für das breite Publikum konsumierbar zu bleiben, wie keine zweite Band in Deutschland.
Für ihr neues, mittlerweile achtes Album haben sich die vier Jugendfreunde eine "mentale Freizeit" gegönnt, wie Michael Schmidt alias Smudo, der gefühlte Frontmann des Quartetts, das nennt. Er sprudelt im Gespräch förmlich über vor vollmundigen Vergleichen und plastischen Metaphern, wenn er die bisherigen Longplayer der Stuttgarter in griffige Kurzbeschreibungen kleidet: "4:99" aus dem Jahr 1999 sei "der schwere Beaujolais" gewesen, "Viel" von 2004 "die lustige Schampuslaune" und "Fornika" (2007) eine "düstere Sinnsuche".
Das neue Werk nun bezeichnet er als "Hieronymus Bosch auf LSD", was anfänglich etwas schwammig und bemüht klingt, spätestens aber dann, wenn man das Album zum ersten Mal hört, durchaus Sinn macht: Schwer und barock durchziehen die Bässe die Songs, wahlweise aufgekratzt oder tiefenentspannt sirren und prusten und ächzen die Elektroschnipsel und Samples im Hintergrund.
Insbesondere der in zwei Teile zerlegte Titeltrack, eine grenzdebile Fingerübung in Sachen akustischer Surrealismus, wirkt wie ein betreuter Kurzrausch. Wobei man dazu sagen muss, dass dies die einzigen beiden Stellen auf dem Album sind, die sich bedingungslos in jener überbordenden Fantastik verlieren, die die Covergestaltung erahnen lässt: Religiöse und esoterische Symbole finden sich auf dieser Collage im Stile des magischen Realismus genauso wie abgewandelte Motive des Surrealismus (statt einer brennenden Giraffe ein brennender Elefant) und Andeutungen auf Verschwörungstheorien (das Freimaurerzeichen). Darüber thronen die Fantas als Säuglinge, ihre Mienen zugleich unschuldig und furchteinflößend.
Mein lieber Herr Gesangsverein, das ist jede Menge Holz. Dadurch entsteht der Eindruck, Michi Beck, Smudo, Thomas D und And.Ypsilon hätten sich thematisch etwas übernommen. Allerdings nehmen sie in ihren Songs auf diesen ganzen ideologischen Wust treffsicher Bezug. "Wir haben die Welt gesehen und können sie nicht verstehen", heißt es in "Die Lösung". Der Song ist eine Warnung vor all jenen Pharisäern, die so tun, als könnten sie das Rätsel Leben erklären. Auch die Fantastischen Vier haben keine Lösung, sie benennen lediglich die Symptome aktuell schwelender Probleme. Und da scheint es eine Menge zu geben.
Schon die erste Single, "Gebt uns ruhig die Schuld", ist eine hämische Abrechnung mit all den Meckerern, die den Fehler grundsätzlich nie bei sich, sondern nur bei anderen suchen. "Wenn ich im Stau stehe, kann ich locker alle anderen beschuldigen", fasst Andreas Rieke (And.Ypsilon) die Botschaft des Songs zusammen. "Die wesentliche Erkenntnis ist aber: Du bist der Stau."
Die Selbstverwirklichung ist kein neues Thema für die Fantastischen Vier. Das Bekenntnis, dass sie meistens nur durch Leistung und Disziplin erlangt werden kann, ist in dieser Eindeutigkeit allerdings neu. "Jeder würd’ es machen, wenn es einfach wär’", singen sie in "Dann mach doch mal" und nehmen damit den durch Castingshows beförderten Irrglauben, schnell und billig langfristigen Erfolg haben zu können, auf die Schippe. Hier outen sie sich endgültig als wertkonservativ. Wahrscheinlich hätten sie es auch nicht so weit gebracht, wenn bei ihnen vor dem Vergnügen nicht die Arbeit stünde. Sie sind und bleiben eben Schwaben.