Wiener Philharmoniker in der Tonhalle: Radikales in Samt und Seide
Konzert: Die Wiener Philharmoniker unter Daniele Gatti in der Tonhalle.
Düsseldorf. Seelische Abgründe tun sich auf in Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie cis-Moll. Die drei ersten Sätze gehören zum Gewalttätigsten, was Mahler je komponierte. Es beginnt gleich mit einem bizarren Trauermarsch, der wirkt wie eine sarkastische Antwort auf Militärmusik. Dass Mahler in der Nähe einer Kaserne mit ihren martialisch-rituellen Klängen aufwuchs, schlug sich überhaupt als Leitmotiv im Werk des Komponisten nieder. Jetzt gastierte eines der nobelsten Orchester der Welt, die Wiener Philharmoniker, mit diesem radikalen Werk in der Tonhalle.
Nun zeichnen sich die Wiener vor allem durch Schönklang aus, sie besitzen die edelsten Streicher und überaus brillante Holzbläser. Für Mahlers bewusst fratzenhafte Klanggebilde wirken solche Qualitäten fast zu fein, da zeigen beispielsweise die großen Londoner Orchester mehr Mut zur Karikatur. Doch unter der Leitung des italienischen Dirigenten Daniele Gatti stürzten sich die Wiener rückhaltlos in Mahlers wilde Hölle. Da ergeben sich gewissermaßen Tumulte in Samt und Seide. Dass selbst die Violinen der Wiener dabei zeitweilige Schärfen entwickeln, liegt an den extrem hohen Lagen, die Mahler vorschreibt.
Jedoch bleibt der Gesamtklang so nobel wie die hohen Kartenpreise, die dafür sorgten, dass die Reihen in der Tonhalle nicht allzu dicht besetzt waren. Die kostbaren Kontrabässe raunen bedrohlich, aber distinguiert, Bläsersoli bieten eine Offenbarung an Präzision und eleganter Artikulation. In sicheren Händen befindet sich beispielsweise das gemeingefährliche Trompetensolo, mit dem die Symphonie beginnt.
Daniele Gatti wählt unterdessen gemäßigte Tempi und setzt auf die feine Ausarbeitung musikalischer Einzelheiten, setzt kräftige Akzente, ohne aber übertrieben zu forcieren. Zu einem feinnervigen Moment regenerativen Innehaltens wird das berühmte langsame Adagietto. Kein anderes Orchester reicht bei der Entfaltung eines sanft schimmernden Streicherteppichs an die Wiener heran.