Fehlfarben: Protest kommt niemals aus der Mode

Mit Peter Hein an der Spitze sind die Düsseldorfer Fehlfarben so relevant wie in den frühen 1980ern. Seht her, Hosen! So geht Punk!

Düsseldorf. Es ist so wie immer: Die Gitarren schrammeln metallisch. Das Schlagzeug rumpelt dumpf. Alles ist mit Hall unterlegt. Und Peter Hein liefert halb singend, halb sprechend die Zustandsbeschreibung einer pseudo-rosigen Gegenwart, die in eine düstere Zukunft mündet: „2011/2012: Der Abstand wird verkürzt. 2015/2016: Man ahnt, da kann was geh’n. 2021: Du weißt, dass das nicht reicht. 2022: Das Spiel ist jetzt vorbei!“

Die Fehlfarben klingen auf ihrem elften Studioalbum „Xenophonie“ genauso, wie sie in ihrem Jahr Null geklungen haben. Warum? Weil die Welt sich seitdem nicht wirklich verändert hat. Das Jahr Null war 1980, als die Düsseldorfer Band mit ihrem Debüt „Monarchie und Alltag“ dem deutschen Punk dessen Blaupause bescherte. Drei Jahre zuvor hatten in Großbritannien die Sex Pistols gezeigt, wie man ein Land verbal in Schutt und Asche legt.

Im vom Kalten Krieg geprägten Deutschland gingen nun Hein und Konsorten durch die Betonsiedlungen, sangen „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt“ — und auf einmal wusste auch zwischen Nordsee und Alpen jeder, was Punk war.

Den Weg gab dabei Peter Hein als Kopf der Fehlfarben vor. Er hatte mit seiner alten Band Mittagspause und mit befreundeten Combos wie S.Y.P.H. oder KFC die Entwicklung des Düsseldorfer Altstadtclubs „Ratinger Hof“ zum bundesweiten Mekka der Punkbewegung mitgestaltet — nachzulesen in Jürgen Teipels Subkultur-Studie „Verschwende deine Jugend“ (2001), die die Fehlfarben auf einen Schlag wieder populär machte und dazu führte, dass „Monarchie und Alltag“ 21 Jahre nach Veröffentlichung Goldstatus erlangte.

Und: Hein fasste als einer der ersten die Essenz der Punk-Subkultur zusammen. Punk ist nicht destruktiv, keine Sauferei, kein Drogenkult, kein Rumlümmeln, keine Sicherheitsnadeln im Fleisch. Punk ist radikale Gesellschaftskritik, die auch ohne Drei-Akkorde-Musik funktioniert. Punk ist der Blick auf das, was hinter der blitzblanken Fassade des Wirtschaftsparadieses liegt. Plötzlich wurde die Subkultur für jeden nachvollziehbar — solange man nur richtig zuhörte.

Was nicht jeder tat: Der Fehlfarben-Song „Ein Jahr (Es geht voran)“ entwickelte sich unfreiwillig zum Hit einer Neuen Deutschen Welle, deren gut gelaunte und oberflächliche Nenas und Hubert Kahs mit Hein rein gar nichts zu tun hatten.

Heute ist der Kalte Krieg längst Geschichte. An seine Stelle sind andere gesellschaftliche Schutthaufen getreten: Terrorangst, Umweltzerstörung, die Gier vieler Manager, konzeptlose Politiker. Der Grauschleier wabert also noch immer — und macht „Xenophonie“ trotz seines uralten Sounds zum zeitlosen Album.

Es hätte 1980 funktioniert. Und es funktioniert heute, wenn Hein mit typisch schrägen Parolen und Ätz-Sarkasmus religiösen wie ideologischen Wahn auf die Schippe nimmt („Glauberei“) oder die Belanglosigkeit heutiger Kultur heraufbeschwört: „Wir sind die Speerspitze der Kulturindustrie. Wir haben zu allem und jedem was zu sagen. Wenn’s sonst keiner tut, stellen wir auch noch die Fragen.“ („Platz da“).

Es besteht kein Zweifel: Auch wenn Hein und seine aktuellen Musiker-Kollegen Uwe Jahnke (Gitarre), Michael Kemner (Bass), Kurt Dahlke (Keyboard), Frank Fenstermacher (Saxofon, Perkussion) und Saskia von Klitzing (Schlagzeug) ihre Bedeutung gar nicht so gerne erwähnen — mit „Xenophonie“ sind die in der breiten Öffentlichkeit unterschätzten Fehlfarben ein gutes Stück relevanter als jene längst in Superstar-Sphären schwebenden Künstlerkollegen aus der Düsseldorfer Nachbarschaft, die von manch einem fälschlicherweise für die Ur-Punks des Landes gehalten werden.

Termin: 26. Mai, 19.30 Uhr, Köln, Luxor