Frisch gerappt: Tyga, Kid Cudi und Tyler, The Creator
Berlin (dpa) - Tradition und Avantgarde: Mit Tyga, Kid Cudi und Tyler, The Creator haben drei US-Rapper neue Alben herausgebracht, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Tyga hat ins „Hotel California“ eingecheckt. War der Schuppen schon bei den Eagles alles andere als „a lovely place“, gerinnt er bei dem US-Rapper zu einer Art Bates Motel.
In den USA kam sein drittes Album schon mal an: Mit 54 000 verkauften Einheiten in der ersten Woche stieg „Hotel California“ auf Platz sieben der Billboard-Charts ein. Auch die Singles „Dope“ und „Molly“ machten sich ordentlich.
Im Zentrum von Tygas Universum steht natürlich Tyga, der über Sex, Drinks, Geld, Coolness und Drogen rappt und damit das Pflichtprogramm eines Rappers abreißt. Auch lässt er es sich nicht nehmen, seine eigene Schuhmarke „T-Raww“ ordentlich ins rechte Licht zu rücken. Und natürlich ist er der tollste Hecht: „Bitch I'm all you need“, stößt er in „500 Degrees“ hervor. „I'm a big event“ heißt es im „Diss Song“.
Tygas Rhymes sind zwar gespickt mit den Hip-Hop üblichen Grobheiten, aber er hat auch ordentliche Tracks im Gepäck. „Molly“ ist solch ein großer Wurf, der durch seine repetitive Struktur eine hypnotische Sogwirkung erzielt. Richtig schmusig wird es in „For The Road“ mit Chris Brown. Der harte Hund zeigt seine weiche Seite. Unterstützung fand der Westcoast-Rapper außerdem von Hochkarätern wie Lil Wayne, Wiz Khalifa, Rick Ross und Game.
Die Rapperei hat sich für Tyga längst bezahlt gemacht und das Luxusleben scheint dem 23-jährigen Michael Ray Nguyen-Stevenson zu gefallen: „Klamotten kaufe ich in den Staaten gar nicht mehr. Nur noch in Paris“, sagte er laut Mitteilung seiner Plattenfirma. Auf schnelle Autos steht der tätowierte Pelz- und Kettenträger mit Goldgebiss auch: Legendär der Abflug mit seinem 376 000-Dollar-Lamborghini, den er im letzten Jahr bei einem Ausflug crashte.
Auch Kid Cudi setzt auf seinem dritten Album „Indicud“ auf populäre Gäste. RZA ist ebenso dabei wie A$AP Rocky. Die große Überraschung ist aber Schmusesänger Michael Bolton als Duettpartner, den man mit Rap bisher so gar nicht in Verbindung gebracht hatte.
Kid Cudi aber ist mit der Musik von Bolton aufgewachsen, da seine Mutter ein großer Fan von ihm sei, wie der Rapper im Interview mit MTV verriet. „Er war wie der Onkel, den ich nie hatte“, sagte er über die Begegnung mit dem 60-jährigen Pop-Star. Und er roch gut: Bolton hatte einen extravaganten Duft aufgelegt, „der wie ein Dutzend Babys in einem Baumwollfeld roch“, verriet der 29-jährige Scott Ramon Seguro Mescudi.
Zusammen mit King Chip haben sie „Afterwards (Bring Yo Friends)“ aufgenommen, einen äußerst unterhaltsamen und fluffigen Track über die Freundschaft.
Mit düsterem und schweren Elektrosound startet mit „The Resurrection of Scott Mescudi“ das neue Album - und ist doch so hoffnungsfroh. „Sobald dir klar wird, dass du alles machen kannst, bist du frei...Du könntest fliegen“, heißt es da. Das ist die Botschaft von „Indicud“: stark und unbesiegbar - trotz aller Schmerzen. „Imma go my own way“ heißt es in „Just What I Am“.
Dazu wummern die Beats, brummen die Elektrosounds, erheben sich die Chöre und sägen die Gitarren. Im Gegensatz zum eher eindimensionalen Tyga ist die Vielfalt ein großes Plus von Kid Cudi, der an der Schnittstelle von Pathos, Pop, Rock, Rap und Elektro erfolgreich operiert. Und zum Cover twitterte Kid Cudi: „Die Album-Gestaltung repräsentiert mit. Ein Flammenball in einem Goldrahmen.“ „I am the smartest man alive!“ („Immortal“).
Mit einem mehrfach bekräftigten „F... You“ startet Tylor, The Creator in sein neues Album „Wolf“. Und er wird nicht müde, es im Laufe der 18 Tracks immer wieder und wieder zu wiederholen. Aber: „Tyler, The Creator könnte einer der großen Rapper seiner Generation werden“, heißt es bei „Zeit Online“.
In der Tat hat Tyler Gregory Okonma eine Menge mehr zu bieten als ein paar Schimpfwörter. Der Rapper hat reichlich coole und auch berührende Reime drauf. Die Abwesenheit seines Vaters, an der er sich auf seinem Album „Goblin“ bereits abgearbeitet hatte, rückt er in „Answer“ wieder in den Mittelpunkt. Wie gerne hätte er mit ihm gesprochen, aber der hatte sich ziemlich früh aus dem Staub gemacht und bekommt dafür die Quittung. Den Schmerz über den Tod seiner geliebten Großmutter verarbeitete Tyler, The Creator in „Lone“. Einblicke in das Innenleben eines Crack-Dealers vermittelt „48“.
Nicht glücklich ist Tyler, The Creator mit dem Song „Colossus“, der sich um einen verrückten Fan dreht und ihm zahlreiche Vergleiche mit Enimens „Stan“ eingebracht hat. „Ich hasse Collus, weil alle immer Stan sagen. Und mir war das erst klar, nachdem ich den Mist geschrieben habe. Dieser Song ist eine wahre Geschichte“, twitterte der Hip-Hopper genervt.
Keine Frage, Tyler, The Creator hat eine Menge Probleme - mit seinem Ruhm, mit Rap-Kollegen, mit seiner Kindheit. Aber er findet die richtigen Worte dafür: Ein großer und ziemlich wütender Lyriker, dieser 22-jähriger Rapper, dessen dunkle Stimme sein wahres Alter verschleiert.
Ganz reduziert ist dabei das musikalische Gerüst, in das Tyler, The Creator seine Verse presst. Smarte Beats, ein bisschen Synthie, ein bisschen Gitarre gepaart mit zahlreichen Jazz-Ausflügen. Große Kunst - wenn auch nicht ganz jugendfrei. Alle drei Alben sind mit einem „Explicit Content“-Sticker versehen. Alles andere wäre bei einem Rap-Album aber auch überraschend.