Frühlingserwachen: Beck badet im Wohlklang
Berlin (dpa) - Sein Aufstieg zum Indierock-Superstar begann mit dem Bekenntnis, ein Verlierer zu sein. Zwei Jahrzehnte nach „Loser“ legt Beck nun sein wohl schönstes Album vor. Auf „Morning Phase“ klingt der US-Amerikaner so entspannt wie noch nie.
„I'm a loser, baby, so why don't you kill me?“ - das war der Satz, mit dem Beck 1994 zu einem neuen, modernen Typ Singer/Songwriter wurde. Die schräge Folk/Rap-Mixtur seines Slacker-Welthits „Loser“ erscheint Lichtjahre entfernt, wenn man die prächtigen, kunstvollen Songs des neuen Albums hört.
„Morning Phase“ (Capitol/Caroline) badet geradezu im Wohlklang und setzt die Stimmung eines sonnigen Frühlingsmorgens in zart pastellfarbene Töne um. Akustikgitarren, perlendes Klavier und seidige Streicher schmücken die Harmonien aus. Hip-Hop-, Blues- und Funk-Einflüsse wie auf „Odelay“ (1996), „Mutations“ (1998) oder „Midnite Vultures“ (1999) sind auf Becks Comeback nach sechs Jahren Sendepause verschwunden.
Stattdessen verwöhnt der 43-jährige Kalifornier - bürgerlicher Name: Beck David Hansen - mit epischen Liedern wie „Unforgiven“, das dank schwerer Piano-Akkorde auch auf einem der phänomenalen 70er-Jahre-Werke Elton Johns hätte Platz finden können. Oder er zaubert in „Heart Is A Drum“ eine bezwingende Folk-Jazz-Melodie aus dem Ärmel, quasi als Erbe des tragischen britischen Genies Nick Drake.
„Es gibt ganz bestimmt englische Einflüsse auf dieser Platte“, räumt Beck im Magazin „Uncut“ unumwunden ein. „Wenn man jünger ist, versucht man sowas noch zu unterdrücken. Aber irgendwann kann man sich immer mehr für diesen Sound erwärmen.“ Eine Rückbesinnung auf bewährte Songwriter-Traditionen merkt man auch „Country Down“ an, einem Americana-Schleicher mit seufzender Steel-Gitarre und Mundharmonika.
Schon das kurze orchestrale Intro „Cycle“ nimmt direkt Bezug auf Becks erstes Softrock-Meisterwerk „Sea Change“ von 2002 - nur dass die seinerzeit von schwerem Liebeskummer bedingte Melancholie jetzt einer fast schon aufreizenden Gelöstheit gewichen ist. Auch als Sänger ist der Enkel des Fluxus-Künstlers Al Hansen in diesen gut zehn Jahren spürbar gereift. Sein warmer Bariton hält den teilweise üppigen Arrangements mühelos stand und brilliert vor allem im grandiosen Bombast von „Wave“.
Dabei hatte man sich schon Sorgen um Becks Formkurve gemacht, als das bisher letzte Album „Modern Guilt“ (2008) erstmals in seiner Karriere nichts Neues brachte und die Zeit bis zur zwölften Veröffentlichung sich immer länger hinzog. Eine weitere Merkwürdigkeit war dann „Song Reader“: eine 2012 als Buch herausgegebene Notensammlung für 20 Songs, die an das große amerikanische Liedgut früherer Jahrzehnte anknüpfen sollte - aber eben keine von Beck selbst aufgenommene Platte.
„Ein Popstar-Album zum Selbermachen“, schrieb „Die Zeit“ - und tatsächlich wurden die Stücke zunächst von anderen Musikern präsentiert, ehe der Maestro sich ihnen irgendwann doch noch vereinzelt bei Live-Auftritten zuwandte. Die Kompositionskunst von „Song Reader“ rettete Beck aber glücklicherweise zu „Morning Phase“ herüber. „Ich habe dafür Songs ausgewählt, die einen bestimmten Bann ausübten“, sagt er über die neuen Lieder.
Und er ist bereits wieder ein Stück weiter: „Jetzt denke ich über meine Shows nach und schreibe deshalb Songs mit mehr Energie - man könnte Pop dazu sagen“, erzählt Beck. Vom „writer's block“, also der gefürchteten Schreibblockade, kann nicht mehr die Rede sein. Einer der besten Songwriter der 90er und Nuller-Jahre ist wieder auf Kurs.