Gemischte Reaktionen auf die „Götterdämmerung“
Bayreuth (dpa) - Wann immer Wagner-Fans in diesen Tagen Karten suchen für die wie immer ausverkauften Aufführungen auf dem Grünen Hügel - die Tickets für Frank Castorfs Interpretation des „Ring des Nibelungen“ sind selten dabei.
Vor dem Festspielhaus unmittelbar vor den Aufführungen oder in Tauschbörsen in den Bayreuther Hotels wird nach „Parsifal“-Karten gesucht, vielleicht noch nach „Tristan“-Tickets. Die Karten für „Rheingold“, „Walküre“, „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“ aber tauchen weit häufiger auf der Angebots- als auf der Nachfrage-Liste auf.
Karten für die vierteilige „Ring“-Oper seien weniger stark gefragt, hatte der neue Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele, Holger von Berg gesagt. Er führt das vor allem darauf zurück, dass „Ring“-Tickets nunmal im Viererpack zu haben sind. „Das kostet richtig viel Geld.“
Doch der Preis scheint nicht das einzige Problem zu sein. Castorf und das Publikum der Bayreuther Festspiele werden wohl einfach keine dicken Freunde mehr. Zwar fallen die Reaktionen auf seine umstrittene, teils bizarr anmutende Produktion in ihrem vierten Jahr längst nicht mehr so leidenschaftlich aus wie noch zu Beginn - restlose Begeisterung aber ist anders.
Nach einem weitgehend gefeierten „Rheingold“, einer wohlwollend aufgenommenen „Walküre“ und einem von großen Teilen des Publikums gnadenlos ausgebuhten „Siegfried“ löst die „Götterdämmerung“ am Sonntagabend gemischte Reaktionen aus. In überwiegende Begeisterung mischt sich beim Schlussapplaus deutlich hörbarer Protest.
Castorfs „Götterdämmerung“ bleibt eine Ansammlung teils amüsanter, teils bizarrer Ideen und spannend anzuschauender, oft aber nur bedingt aussagekräftiger Bilder. Ein starker Moment: Hinter dem nach dem Vorbild des Künstlers Christo verhüllten Reichstag erscheint die New Yorker Börse und damit die durchaus berechtigte Frage, wer eigentlich die Macht hat in diesem Land. Schließlich geht es im „Ring“ um die Gier.
Das Öl als Gold unserer Zeit habe er in seinem „Ring“ in den Mittelpunkt stellen wollen, hatte Castorf im ersten Jahr seiner Inszenierung 2013 gesagt. Spätestens in Teil vier wird das angebliche Grundthema aber zur Farce. Dass die Rheintöchter irgendwann zum Ende hin den Ölstand ihres Cabrios checken, ist ebenso amüsant wie angebracht.
Der Regisseur zeigt sich zwar nicht dem Publikum, als der Vorhang fällt, vereinzelte Buhs muss sich aber - selten in Bayreuth - der Dirigent anhören: Marek Janowski am Pult tritt als Nachfolger von Publikumsliebling Kirill Petrenko aber auch in große Fußstapfen.
Ausnahmslos werden die Sänger gefeiert, besonders Catherine Foster als Brünnhilde, für die vereinzelte Zuschauer beim Schlussapplaus sogar aufstehen. Sie steigert sich als liebende Kämpferin in Bayreuth nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern auch von Aufführung zu Aufführung. In der „Götterdämmerung“ ist sie sogar noch besser als vorher in der „Walküre“ und im „Siegfried“.
Auch Albert Pesendorfer als Hagen begeistert; und das, obwohl er ganz kurzfristig für den erkrankten Stephen Milling eingesprungen ist. Er sticht in der Publikumsgunst sogar noch Siegfried-Darsteller Stefan Vinke aus, der nicht ganz an seine starke Leistung im „Siegfried“ anknüpfen kann. Am Montagabend endet die Bayreuther Premierenwoche mit einer Aufführung von „Tristan und Isolde“, bei der die Chefin selbst - Festspielleiterin Katharina Wagner - Regie führt.