Guns N' Roses: Die Legende kommt zurück

Nach 17 Jahren Trennung und Schweigen erscheint eine neue CD. Aber sie enttäuscht.

Düsseldorf. Die Frage, ob es hätte gut gehen können, stellt sich nicht: Der Preis, nach 17 Jahren wieder eine umwerfend tolle Platte mit seiner Band Guns N’ Roses zu veröffentlichen, wäre für Axl Rose zu hoch gewesen. Er hätte sich dafür mit seinen alten Freunden versöhnen müssen - für einen manischen Egoisten wie ihn undenkbar.

Also hat Rose lieber eine Platte veröffentlicht, auf der zwar der Name Guns N’ Roses steht. Aber in jeder Sekunde des Hörens von "Chinese Democracy" klingt durch: Diese Band existiert nicht mehr. Guns N’ Roses starben auf dem Weg ins neue Jahrtausend. Es war ein langes Dahinsiechen einer Band, die einmal relevant war. Die zu ihrer besten Zeit überall eine Spur der Verwüstung hinterließ. Die stets umwabert war vom Dunst der Drogenexzesse und dem Geruch des Schweißes als dem Herzblut des Rockers.

Sie waren Prototypen der in der Popkultur seit jeher propagierten Symbiose aus Musik und Image. Guns N’ Roses knallten den ausklingenden, poppigen 80ern "Appetite For Destruction" (1987) vor den Latz. Ein Album, das mit Hardrock, Metal, Blues und Punk alles in sich trug, um weiterzuführen, was nach dem Ende Led Zeppelins zum Erliegen gekommen war. "Paradise City", "Sweet Child O’ Mine" - die Band schuf Songs für die Ewigkeit. Und legte 1991 ihr Manifest vor: "Use Your Illusion" kam in zwei Teilen daher und war mit 30 Songs, darunter Stücke in epischer Länge und balladeske Orgien wie "Don’t Cry" und "November Rain", purer Größenwahn.

Jedoch einer, der dem klassischen Hardrock in Zeiten der Grunge-Revolution noch ein letztes Mal pulsierendes Leben und strahlende Schönheit schenkte. Guns N’Roses hatten mit der Achse um Axl, Bassist Duff McKagan und Slash - als letztem, während seines Spieles noch Zigarette rauchenden Gitarristen dieser Welt - ein Line-Up gefunden, das perfekter nicht sein konnte. Sie schafften es mit sicht- und hörbarer Coolness, den Geist des Rock’n’Roll aus den Clubs in die Stadien zu hauchen. "Paradise City" war erreicht.

Und wurde wieder verlassen. Denn die Band entwickelte sich nach ihrem größten Triumph zum Witz. Tyrann und Kontrollfreak Axl, so heißt es, vergraulte nach und nach seine Mitstreiter, stellte die "Gunners" neu zusammen und kündigte ein neues Album an: "Chinese Democracy". Erst für 1999. Dann für 2001 oder 2002. Irgendwann schließlich für "irgendwann". Guns N’ Roses und "Chinese Democracy" wurden vom Witz zum "Running Gag". 2006 spielte die Band zwar einige neue Stücke bei einem blutleeren "Rock am Ring"-Auftritt. Aber eine Platte gab es immer noch nicht.

Heute erst hat das Warten ein Ende, steht "Chinese Democracy" tatsächlich in den Läden. Und einige Stücke - der Titelsong, "Street Of Dreams", "Catcher N’The Rye" - atmen durchaus den Geist der alten Zeit. Auch Axl’s Stimme sticht noch immer hervor. Aber das Essentielle fehlt: Das Spiel der alten Bandmitglieder. Ganz besonders Slashs singende Les Paul. Spätestens jetzt fällt auf, dass es allen voran der Gitarrist war, dem die Band ihren Sound, ihren Stil zu verdanken hatte. Ohne ihn und den restlichen, verruchten Haufen sind Guns N’ Roses nur noch ein Projekt ohne Profil und Identität. "Chinese Democracy" ist ein Axl-Rose-Album mit Eskapaden aus Industrial und Hip-Hop, eingespielt von anonymen Musikern.

Auf der Band-Homepage wurde bis zuletzt der Countdown bis zur CD-Veröffentlichung gezählt. Im Internet-Trailer wird "Chinese Democracy" als eines der wichtigsten Alben der Rockgeschichte gepriesen. Das strenge Musikmagazin "Rolling Stone" vergab vier von fünf Sternen. Die US-Firma "Dr.Peppers" verschenkt gar aus lauter Freude über die Platte an jeden Amerikaner eine Gratis-Cola. Viel Brimborium um nichts ist das alles. "Chinese Democray" ist ein nettes Album. Und das heißt: Es ist belanglos. Der Schatten der alten, richtigen Band - er ist zu groß.