Hannes Wittmer: Mut zu mehr Gelassenheit

Hannes Wittmer alias Spaceman Spiff geht auf dem gestern erschienenen Album „Endlich Nichts“ mit seiner Band neue Wege.

Foto: Waldemar Salesski

Düsseldorf. Die Texte. Immer nur die Texte. Irgendwann war es Hannes Wittmer leid. Ständig wurde nur über die Texte geredet, die er als Singer-Songwriter Spaceman Spiff singt. „Dabei bin ich ja Musiker, es soll um die Texte und die Musik gehen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Das hört man seinem dritten Album „Endlich Nichts“ an. Musikalisch ist es überraschend vielseitig, teilweise gar unerwartet rockig. Dass die Texte dabei nichts an Qualität und Poesie verloren haben, ist ein wahrer Glücksfall.

Das neue Album heißt "Endlich Nichts".

Foto: NN

„Endlich Nichts“ ist kein Neuanfang, sondern eine Kurskorrektur und Horizonterweiterung. Das, was auf „Bodenangst“ und „. . . und im Fenster immer noch Wetter“ bisher gut funktioniert hat, wird musikalisch erheblich ergänzt. Wittmers Gitarre bleibt das Herzstück, dem Schlagzeug von Jonny König und Felix Weigts Keyboard sowie Synthesizern und Bass wird jedoch erheblich mehr Raum zugestanden. Beide waren auch auf dem letzten Spiff-Album vertreten, allerdings in wesentlich geringerem Ausmaß.

Vom reduzierten Ansatz hin zu komplexeren und raumgreifenderen Arrangements: „Ich hatte Lust, dass jetzt mal mehr passiert. Einerseits, um mich nicht zu wiederholen, andererseits, um einfach Musik zu machen.“

Der Weg dahin war geprägt von einem dreimonatigen Aufenthalt in Neuseeland. Nach seinem Umzug von Würzburg nach Hamburg habe er sich drei Jahre lang hauptsächlich um sich selbst und seine Musik gedreht — Berufsrisiko eines Singer-Songwriters. Diesem Karussell wollte Wittmer durch eine Auszeit am anderen Ende der Welt entgehen. Nicht, um neue Songs zu schreiben, sondern „um die Akkus mal wieder aufzufüllen und abzuschalten. Ich habe zwar eine Gitarre dabei gehabt, die hab’ ich aber monatelang nicht angefasst“. Bis plötzlich ein Knoten platzte und vier Songs innerhalb von nur einer Woche entstanden.

Beeinflusst haben ihn vor allem die Menschen Neuseelands und deren Gelassenheit. Das hört man seinem Album an. Zum Beispiel, wenn Wittmer in „Teesatz“ über die Generation der 20- bis 30-Jährigen singt: „Wenn morgen aus uns allen nichts geworden ist, dann wird’s wohl irgendwie so sein / Meine Freunde und ich und ein paar andere — wenigstens sind wir nicht allein.“

Fernbeziehung, Studienabbruch, Planlosigkeit, Unsicherheit und Therapie — Wittmer singt über die Probleme einer Generation, zu der er mit abgebrochenem Sport-Studium selbst gehört. Und er plädiert für mehr Gelassenheit: „Ganz viele wissen, dass es besser ist, gelassener zu sein. Wenn man hier aufgewachsen ist und das Ideal des Erfolgs mitkriegt, ist es aber sehr schwer, sich da rauszuhalten.“

Noch etwas ist neu: Erstmals läuft der Plattenvertrieb über das Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, 2002 gegründet von Marcus Wiebusch, Reimer Bustorff (beide Kettcar) und Thees Uhlmann. „Ich fühl’ mich total geehrt. Wenn man mir das als 15-Jährigem erzählt hätte, als ich gerade angefangen habe, Kettcar zu hören — damals wäre ich umgefallen vor Begeisterung.“ Bisher hat Wittmer den Großteil der organisatorischen Arbeit bei seinen Veröffentlichungen in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Buchverlag Mairisch selbst übernommen. „Mir lag immer an einem familiären Umfeld. Mairisch als Buchverlag fehlt es aber natürlich an gewissen Kontakten und Möglichkeiten.“ Von Grand Hotel verspricht Wittmer sich nun beides: ein familiäres Umfeld und professionellere Bedingungen.

Die Konstante in allem Neuen sind — wie könnte es anders sein — Wittmers Texte. Sie taugen noch immer fürs Poesiealbum. Einfühlsam, nachdenklich, melancholisch: Man will sie nicht an Häuserwände sprayen, sondern für sich behalten, mit sich tragen. Sie haben nichts Parolenhaftes oder Plakatives. Es sind intime Momente, die Wittmer schafft. Miniaturen seines Innenlebens, Bekenntnisse von Unsicherheit und Zweifeln. So wie in „Milchglas“: „Ich war immer Bergsteiger, doch dieses Land ist scheiß-eben / Bau’ ich einen Berg oder lern’ ich, hier zu leben?“ Eine Lösung? Nicht in Sicht. Aber eines hilft sicher: Gelassenheit.

19. Januar: Essen, Zeche Carl

30. Januar: Köln, Blue Shell