Hebräische Lieder und „Schalom“ in Dachau

Dachau (dpa) - Das erste leise Anstimmen sorgt für Gänsehaut bei mehreren hundert Zuhörern, der zunehmend kraftvolle hebräische Gesang auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers Dachau für Begeisterung.

Rund 70 Jahre nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten in der Stadt nahe München haben erstmals israelische Musiker in einem früheren KZ gesungen. Der Kammerchor der Musikhochschule Jerusalem ließ in der überfüllten evangelischen Versöhnungskirche der Gedenkstätte mit sichtbarer und hörbarer Leidenschaft ernste und beschwingte Lieder erklingen.

„Heute wollte keiner fehlen“, sagt die 22 Jahre alte Michal Front, deren Urgroßeltern in Auschwitz ermordet wurden und die - wie alle der rund 30 Chormitglieder - mit dem Wissen um den Holocaust aufwuchs. Sie singt bei den Sopranstimmen und findet es „sehr wichtig“, mit dem Chor gerade in Dachau zu singen. „Es ist wichtig, dass wir unsere Musik hierher bringen“, betont sie mit Blick auf die hebräischen Lieder. Auch vertonte Gebete jüdischer Holocaust-Opfer gehörten zum Programm. Es sei gut, dass für den Chor die Tore des ehemaligen Konzentrationslagers geöffnet wurden.

Bereits vor dem Konzert hatte Chorleiter Stanley Sperber (69) dies als „großes Zeichen der Versöhnung“ bezeichnet: „Es ist einfach eine ganz große Chance und ein ganz besonderes und wichtiges Ereignis für uns.“ Mit einem erfreuten und wiederholten „Schalom“ dankt er nach der Aufführung dem Publikum und dem befreundeten Vokal Ensemble München, das dieses Konzert initiiert hatte. Für ihn sei es ein Symbol, „dass die Beziehungen zwischen Deutschen und Juden heilen“, sagt Sperber.

Dachaus Bürgermeister Claus Weber hatte die Sänger im Beisein des Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau, Max Mannheimer (91), und des Botschaftsrats der israelischen Botschaft in Deutschland, Ran Yaakoby, begrüßt. Es sei ihm klar, dass der Name der Stadt Dachau für immer mit den Verbrechen der Nazis gegen die Menschheit verbunden sein werde. Umso wichtiger sei es, dass die Menschen daraus lernten und Verantwortung übernähmen. Der erste Auftritt eines israelischen Chores auf dem früheren KZ-Gelände sei ein wichtiger Schritt.

In den zwölf Jahren seines Bestehens waren im Konzentrationslager Dachau und in zahlreichen Außenlagern mehr als 200 000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. 41 500 wurden ermordet. Am 29. April 1945 befreiten amerikanische Truppen die Überlebenden.

„Ich freue mich, hier zu sein und Israel zu repräsentieren“, betont 66 Jahre später die 27-jährige Altsängerin Faye Shapiro. Zum Ende einer einwöchigen Konzertreise durch Deutschland sei das Konzert, über das die Medien in Israel vorab breit berichtet hätten, der Höhepunkt. Botschaftsrat Yaakoby begründet die besondere Bedeutung: „Viele derer, die hier ihr Leben lassen mussten, konnten keine Freunde oder Familie hinterlassen.“ Daher sei der Gesang des Chores gerade am früheren Ort des Schreckens ein Gedenken an die Getöteten.