Hermann Nitsch polarisiert mit Franziskus-Oper
München (dpa) - Mit einer Aufführungsdauer von über vier Stunden stellt Olivier Messiaens Oper „Saint François d'Assise“ auch Liebhaber der zeitgenössischen Musik vor eine Herausforderung.
Einige Zuschauer blieben bei der Festspielpremiere der Bayerischen Staatsoper am Freitag in München auch nicht bis zum Schluss. Dabei lag die mit Spannung erwartete szenische Konzeption ebenso wie Gestaltung, Bühne und Kostüme in den Händen des österreichischen Skandal-Künstlers Hermann Nitsch.
Es sollte der Höhepunkt der Münchner Opernfestspiele werden, und es wurde ein typischer Nitsch, dessen erste Opernarbeit in Deutschland wenig Neues bot. Anstelle einer Inszenierung integrierte er Messiaens Oper in das von ihm selbst erfundene „Orgien-Mysterien-Theater“. In ästhetische, kirchenartige Tableaus projizierte er Aufnahmen von Farbskalen, mathematische Formeln - oder Vögel. Großartig die kaleidoskopartigen Farbkompositionen, die sich auch in den bunt-gestreiften Kostümen wiederfinden und die Wirkung von Messiaens Musik unterstützen.
Das 1983 in Paris uraufgeführte Stück schildert in acht Bildern die Geschichte des Heiligen Franz von Assisi, seinen Weg durch Angst und Finsternis hin zur Erleuchtung und Erfahrung der Existenz Gottes. Für ein Raunen im Saal sorgte die mehrmalige Kreuzigung eines mit Blut überschütteten nackten Mannes. Weitere Aufnahmen zeigen in Gedärmen wühlende Menschen - Filmausschnitte von Hermann Nitschs umstrittenen Aktionen in Österreich. Die von Nitsch gewünschte Intensität will sich aber nicht so recht einstellen, das Bühnengeschehen läuft oft parallel und integriert die Sänger nicht.
Im Ganzen ähnelt der Abend eher einem Oratorium als einer Opernaufführung, die statische Personenführung hilft aber dem Zusammenspiel von Sängern, Chor und Orchester. Mangels Platz im Orchestergraben brachte man die Blechbläser auf der Bühne und das Schlagwerk in den Logen unter. Dirigent Kent Nagano, der Messiaen bereits bei der Uraufführung 1983 assistierte, leistet fantastische Arbeit und erhält für seine durchsichtige, detailgenaue und lebhafte Interpretation zu Recht den meisten Beifall. Für Nitsch gab es viel Beifall und Bravo-, aber auch deutliche Buh-Rufe.
Bassbariton Paul Gay meistert die anspruchsvolle Titelpartie bravourös. Christine Schäfers glockenreiner, zarter Sopran passt perfekt zur Rolle des Engels. Leider wird ihr traumhafter Schlussgesang durch zahlreiche Schüttgeräusche gestört - passend zu Nitschs bekannten „Schüttbildern“.