Hot Chip: Nicht nur Pop, sondern wahre Kunst
Bei den Elektrotüftlern von Hot Chip bleibt auch auf ihrem fünften Album alles beim Alten. Sprich: Herausragender Pop für Kenner.
Düsseldorf. Ob man in Sachen Pop eine Hausnummer ist, dafür sind „Die Simpsons“ ein guter Gradmesser. Wer hier, in der Blaupause aller Zeitgeist-Satiren, seinen Platz findet, gehört zum Popkultur-Kanon. So wie Hot Chip.
Im April wurde ein Song des Londoner Quintetts Teil des Serien-Soundtracks: Die Macher unterlegten eine Sequenz, in der der tretmühlenartige Schulalltag von Bart zu sehen ist, mit dem monoton aufgekratzten „Boy From School“.
2006 hatte diese Single Hot Chip auf den Schirm aller bewegungswütigen Pop-Puristen katapultiert. Dort verweilen sie bis heute mit ihren elektronikverhangenen Songperlen, die alles repräsentieren, was im Spektrum künstlich generierter Töne möglich ist: New Wave, Italo-House, Acid, Detroit-Techno, Disco, Synthie-Pop. Hot Chip sind all das — und als Band trotz all dieser Vorbilder völlig einzigartig.
Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen, dass es zurzeit keine andere Band so gut versteht, die Versatzstücke aus den vergangenen 40 Jahren Pop zu einem unverkennbaren, eigenen Sound zu verschmelzen. Dass sie von diesen Einflüssen zehrt, von Phil Spector über Kraftwerk und Giorgio Moroder bis hin zu den Pet Shop Boys, daraus macht die Band keinen Hehl: „Wir sind überzeugt genug von der Eigenständigkeit unseres Sounds“, sagt Alexis Taylor, der hyperaktive Frontmann, der mit seinen übergroßen Brillengestellen, seinen Hipster-Sakkos und der hohen Stimmlage so etwas wie der Inbegriff des Nerds ist. Anfang 30 sind er und seine Bandkollegen mittlerweile. Aber Taylor sieht immer noch aus, als würde sein Leben zwischen Chemieraum und Klassenzimmer stattfinden. „And I Was A Boy From School“ sang er nicht von ungefähr.
Der Song ist auch eine nette Referenz an die Zeit, in der drei der Bandmitglieder sich kennenlernten. Erste Demos an der Schule klangen laut Soundtüftler Joe Goddard wie „Sechstklässler-Poesie über verträumten Gitarren“. Davon ist heute nichts mehr übrig. Seit 2003 stehen Hot Chip für intelligent verschachtelten Elektro-Pop. Songs wie „Over And Over“ (2006) oder ihr bislang größter Erfolg „Ready For The Floor“ (2008) sind herausragende Beispiele, wie simpel ein Song klingen kann, obwohl er aus unzähligen winzigen Soundschnipseln besteht, die sich zu einem homogenen Gesamtbild zusammensetzen.
Dass das Cover ihres fünften Albums „In Our Heads“ ein Mosaik-Muster ziert, scheint da nur logisch. Wieder gelingt es Taylor und seinen Kollegen, wunderbare Melodien über vertrackte Synthie-Basteleien zu legen, ohne dabei angestrengt zu wirken. Ein Geheimnis: Obwohl alles so passgenau klingt, besteht laut Taylor kein Masterplan.
„Die Ideen entstehen während des Arrangierens und Produzierens. Sie stellen keinesfalls die Ausgangsbasis für einen Song dar.“ Richtig überraschend erscheint das nicht. Bei ihren Live-Auftritten klingen die Songs selten nach den Studioaufnahmen. Hot Chip sind zu experimentierfreudig, als immer nur zu reproduzieren.
Woher sie die kreative Kraft schöpfen? Ganz klar: aus der Abwechslung. Alle Bandmitglieder arbeiten an Nebenprojekten, am bekanntesten ist Joe Goddards The 2 Bears. „Es hilft einfach, diese Ausweichmöglichkeiten zu haben“, sagt Taylor. „Sie geben die Möglichkeit, Ideen zu verwirklichen, die innerhalb von Hot Chip keine Chance hätten.“
Erlaubte Seitensprünge für eine bessere Beziehung, könnte man das nennen. Um Hot Chip braucht man sich keine Sorgen zu machen.