Jack Johnson: Die Götter lieben ihn eben

Der ehemalige Surfer weckt Neidgefühle. An ihm ist alles perfekt: Erfolg, Aussehen, politisches Engagement. Sogar seine Musik überzeugt. Leider!

Düsseldorf. Es gibt diese Glückskinder - wahrlich wenige, aber es gibt sie - denen scheint die Sonne mit voller Strahlkraft direkt aus sämtlichen Körperöffnungen! Intelligent, talentiert, kreativ, erfolgreich, ein blendendes Aussehen und ein Ausnahmesportler mit Unterhosenmodelmaßen. Dabei bescheiden, humorvoll, mit Gemeinsinn ausgestattet, aber ohne dieses enervierende öffentliche Sendungsbewusstsein, mit dem sich Pop-Aktivisten wie Bono oder Chris Martin zu Staatsbanketten einladen.

Nicht zu vergessen liebender Familienvater, treuer Ehemann und stolzer Hauseigentümer eines Domizils an der Nordküste von O’ahu - zur Einordnung: Das ist eine der Inseln des Hawaii-Archipels. Mal unter uns: Braucht es noch mehr Gründe, um diesen Mann aufrichtig hassen zu dürfen?

Nein, das war’s dann. Trotzdem sollte man sich das mit der abgrundtiefen Abneigung noch mal genauer überlegen. Denn Jack Johnson, so der Name dieses von Mutter Natur (wahlweise Gottes Gnaden) begünstigten Menschenkindes, ist zu allem Überfluss auch noch sympathisch. Man sucht nach dem Haken, dem Pferdefuß, der Hasenscharte - aber sogar die, selbst verschuldet beim Extremsurfen zugefügt und mit 150 Stichen genäht, ist ohne Vernarbungen zusammengewachsen.

Stattdessen sieht man dort, wo ihm im Alter von 17 plötzlich der gesamte Schneidezahnbereich fehlte, dieses gewinnende, ehrliche Lachen, kein hämisches Grinsen, auch kein falsches Promolächeln. An dem Typen ist alles echt, authentisch, kurz: widerlich. Unwillkürlich gerät man als Betrachter in jene Bereiche, in denen ureigenste Neidgefühle auf Autopilot schalten.

Was war noch mal der Anlass für diese zähneknirschende Kapitulation vor dem Offensichtlichen? Richtig, Mr. Johnson hat ein neues Album aufgenommen, "Sleep Through The Static" der Titel, sein viertes Studiowerk. Es ist Musik, wie man sie von ihm gewohnt ist, keine Überraschung, folglich auch keine Enttäuschung. Entspannter, beseelter Singer-Songwriter-Pop. Aus jeder sanft gezupften Saite, jedem verträumt gesäuseltem Refrain spricht jene Aufgeräumtheit, die man als ehemaliger Profisurfer mitbringen muss, um die perfekte Welle abpassen zu können.

Die Zeiten, in denen das Brett sein Instrument war, sind zwar schon lange vorbei, denn nach besagtem Unfall schwor er dem Profisport ab. Aber die Lebenseinstellung, diese ungebrochene Relaxtheit nahe dem Phlegma, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Schaffen.

Nach dem Abschluss der Filmhochschule dreht er erfolgreiche Surferfilme, steuert mangels genügend Startkapitals seine eigenen Kompositionen bei, die seine Sportlerkollegen so gut finden, dass sie sie als Raubkopien an Touristen verhökern. Es folgt das erste Album, dann das zweite, und bei Erscheinen des dritten, "In Between Dreams", ist er schon ein Weltstar, der mit seinen geerdeten Gitarrenballaden die Menschen an seinem meditativen Dasein teilhaben lässt.

Statt auszuflippen, Groupies flachzulegen und Hotelzimmer zu verwüsten, nutzt er seine neu gewonnene finanzielle Unabhängigkeit, um als Dozent die "Kokua Hawaii Foundation" zu unterstützen, eine Stiftung, die Schulkindern den respektvollen Umgang mit Naturressourcen nahe bringt. Er ist Mitglied der Umwelt-Organisation "One Percent for the Planet", an die er mindestens ein Prozent seines Einkommens abführt. Seine beiden Tonstudios rüstete er mit Solaranlagen aus, sämtliche CDs sind in hundertprozentig recycelbare Booklets gebettet. Spätestens jetzt hämmert wieder der Neid im Hinterkopf!

Gibt es Trost? Lohnt es sich, wie in diesen Momenten üblich, sich vorzustellen, dass der Mann wie jeder Normalsterbliche sicher auch mal auf die Toilette muss? Wohl nicht, denn selbst dabei sieht die Schweinebacke wahrscheinlich unverschämt gut aus. Die Welt kann so ungerecht sein. Gott sei Dank. Sonst gäbe es Leute wie Jack Johnson nicht. Und das wäre ja dann doch schade. Irgendwie!

Sicher, man könnte sich in die Reihe derer stellen, die nicht ganz zu Unrecht bemängeln, dass bei Jack Johnson jeder Song wie ein Lagerfeuer am Strand kurz nach der Dämmerung klingt oder auch wie der erste Sonnenstrahl, der die Meeresoberfläche glitzernd aus ihrer tiefschwarzen Nachtphase reißt. Aber mal im Ernst, was ist das denn bitte für ein Vorwurf? Vielleicht kriegt man den Tausendsassa, der sich selbst angesichts seines überragenden Erfolges als "Hochstapler" bezeichnet (kokett ist er also auch noch!), über die Schiene, dass seiner sanften Stimme und den stets gut gelaunten Schubidua-Refrains eine gewisse Monotonie innewohnt? Geschenkt, denn die Stones röhren auch immer auf den gleichen Akkordfolgen. Bleibt also nur, sich treiben zu lassen. Und mit seinen Neidgefühlen ins Reine zu kommen.