Jack White will den Bluesrock-Thron zurück
Berlin (dpa) - Bluesrock mit Garagen-Geruch ist der neue Mainstream-Sound. Nach dem Riesenerfolg der Black Keys fordert nun Jack White - quasi Erfinder dieser coolen Retro-Welle - den Thron zurück. Sein neues Album: mehr vom Alten.
Ob das reicht?
White und The Black Keys haben eine Menge gemeinsam: Sie kamen vom rauen, traditionsbewussten Garagen-Bluesrock, führten ihren Retrosound ohne allzu große Kommerz-Kompromisse aus der Indie-Nische in die Charts, hatten irgendwann Nummer-eins-Alben und drücken nun - als Trendsetter und Top-Produzenten - anderen Kollegen ihren Stempel auf. Doch seit White die Black Keys im Vorjahr als üble Kopisten beschimpfte, war Feuer unterm Dach.
Mit seiner zweiten Soloplatte versucht er nun, der Konkurrenz auf musikalischem Wege eins auszuwischen. Das wird allerdings nicht einfach für den 1975 als John Anthony Gillis in Detroit geborenen Sänger, Gitarristen und achtfachen Grammy-Gewinner. Denn seitdem Whites Debüt „Blunderbuss“ 2012 an der Spitze der US-Hitparaden landete, haben die Black Keys mit ihrem auch qualitativ überzeugenden „Turn Blue“ in diesem Frühjahr nachgeladen und weltweit Top-Ränge abonniert.
Was noch schwerer wiegt: „Lazaretto“ ist eine grundsolide, einfallsreiche Platte mit hohem Spaßfaktor - aber nicht der Qualitätssprung, den man White als Lichtgestalt der modernen Rockmusik zutraute.
Ein Mega-Hit wie „Seven Nation Army“ ist nicht unter den elf neuen Songs - diesen unwiderstehlichen Gitarrenriff-Rocksong erfand der US-Amerikaner vor gut zehn Jahren noch für seine erste Band The White Stripes, heute werden damit Stadien beschallt. Stattdessen schreibt White das Programm seiner Zweitband The Raconteurs und von „Blunderbuss“ gediegen fort: mit hartem Rock à la Led Zeppelin (im Titelsong), mit Blues, Piano-Pop und mildem Punk-Spirit - ergänzt durch fast schon klassischen Country („Temporary Ground“), feisten Kneipen-Boogie („Just One Drink“) und sogar etwas Reggae („The Black Bat Licorice“).
Man meint dem neuen Album Whites Erschöpfung nach einer langen Welttournee mit zwei sehr unterschiedlichen Bands (nur Frauen beziehungsweise nur Männer) und zahllosen Nebenjobs anzuhören. Er habe seine Songs und auch die Menschenmassen „irgendwann einfach satt“ gehabt, bekennt er im Interview des „Rolling Stone“. Aber natürlich sollte die Solo-Karriere weitergehen: „Im Showbiz muss man immer daran arbeiten, wie man wahrgenommen wird, in gewisser Weise auch die Leute manipulieren. Man hat keine andere Wahl“, sagt der Rockstar-Routinier.
Ein „Missverständnis“, das ihn immer noch in Harnisch bringt: dass ihm wegen einiger derber „Blunderbuss“-Songtexte und einer gescheiterten Ehe Frauenfeindlichkeit unterstellt wurde. „Ich schreibe keine Lieder über mich selbst und predige der Welt etwas vor“, entgegnet White. „Diesmal habe ich, um es ganz deutlich zu machen, Gott in einem Song als weiblich beschrieben und im nächsten als männlich. Und jetzt? Was sagt Ihr jetzt?“
Viel lieber als über die aktuelle Musik scheint der 38-Jährige ohnehin über sein Plattenlabel Third Man Records in der Wahlheimat Nashville/Tennessee zu sprechen - da steckt er die Millioneneinnahmen aus den Erfolgsalben nämlich rein. Sein Credo: „Lasst uns Sachen auf Vinyl machen, die noch nie zuvor gemacht worden sind. Bei einem 100 Jahre alten Format, was soll da noch übrig sein? Eine Menge, wie sich herausstellte.“
Also produzierte White kürzlich „die schnellste Platte der Welt“ (vier Stunden vom Studio bis zur Ladentheke), ermöglichte seinem Idol Neil Young in Nashville ein LoFi-Album per Voice-O-Graph (eine Art Telefonzelle für primitive Mitschnitte) und brachte „Lazaretto“ als Vinylfassung heraus, die von innen nach außen abspielbar ist und ein Hologramm enthält. „Mit all diesen Ideen verdient man überhaupt kein Geld“, sagt er dem „Rolling Stone“ - und lacht dabei. Der Indie-Weltstar Jack White ist halt immer noch ein liebenswerter Idealist.
Und auch das Verhältnis zur Bluesrock-Konkurrenz hat er inzwischen wieder entspannt: Auf seiner Webseite beendete White dieser Tage den Kleinkrieg mit den vermeintlichen Nachahmern, indem er sich für verbale Ausfälle entschuldigte und schrieb: „Ich wünsche der Band The Black Keys den größtmöglichen Erfolg.“