Jazz: Al Jarreau bleibt ein Magier

Der amerikanische Meister tourt derzeit mit der NDR-Bigband durch Europa. Sie stellen ein „Porgy and Bess“-Projekt vor.

<strong>Düsseldorf. Al Jarreau ist ein Urgestein des Jazz. Mit 67 hat er noch nichts von seiner Spontaneität und improvisatorischen Lust eingebüßt, die ihn zu einem Ausnahmekünstler von Weltniveau gemacht und Grammys in so unterschiedlichen Sparten wie Jazz, Pop und R&B eingetragen hat. Zusammen mit der NDR Bigband tourt er durch Europa, um ein neues "Porgy and Bess"-Projekt vorzustellen. "Don’t miss the chance to sing with a bigband", wiederholt er voller Begeisterung mehrfach während des Abends und lässt das Publikum an vielen Stellen im Wechselgesang mitsingen. Obwohl es bereits seit den frühen 70er Jahren zwischen ihm und Dieter Glawischnig mit seiner damaligen NDR-Studioband gute Kontakte gab, wurde die Idee zu einem gemeinsamen Konzert mit der NDR Bigband erst 1998 geboren. Steve Gray hat jetzt die 700 Seiten starke Opernpartitur George Gershwins neu arrangiert, teilweise sogar neu komponiert, und so für Band und Sänger optimale Bedingungen geschaffen.

Erst einmal bringt man sich so langsam in Fahrt

Der erste Teil des Abends ist allerdings noch dem Warmwerden und sich wechselseitig In-Fahrt-Bringen gewidmet. Drei Standardnummern der Band von Michael Gibb und vier Lieblingssongs von Jarreau bieten dazu gute Gelegenheiten. Den Kern der inzwischen aus 18 Top-Jazzsolisten bestehenden Bigband bilden Vladyslav Sendecki (Piano), Gary Husband (Drums) und Lucas Lindholm (Bass). Sie schaffen es immer wieder, den oft fetzigen Sound auf filigrane Intimität herunter zu pegeln. Melancholischer Weltschmerz und trotziges Auflösen konventioneller Hörnormen gelingen ihnen ebenso wie mit Unterstützung des brillanten Gitaristen Stephen Diaz raffinierte Latino-Rhythmen.

"Summertime" wird ein Klang- und Rhythmusrausch

Al Jarreau hat auf der Bühne mehr als bei den Studioeinspielungen die Möglichkeit, sein einzigartigen Stimmqualitäten unter Beweis zu stellen. Er macht keine Musik, er ist Musik. Behutsam tastet er sich in jedes Instrument hinein, lässt ihren Groove in seinem Körper ankommen, imitiert sie, formt daraus Laute und Klänge und entwickelt so seine ganz eigene Form von Sactgesang. Die Tonhalle verwandelt sich nach kurzer Zeit in einen Jazzkeller, wo man die einzelnen Musiker in solistischer Spitzenform erlebt. Bei der Aufführung der neuen "Porgy and Bess"-Fassung erkennt man, was die NDR Bigband so genial macht und Al Jarreau zurecht ins Schwärmen versetzt. Gray hat sieben der bekanntesten Nummern ausgewählt. Für die Übergänge sorgt Jarreau, der die Handlung nacherzählt und aktuelle Bezüge herstellt. Aus einem verhaltenen Percussion-Bereich tastet sich das Vorspiel an die düstere Atmosphäre der Oper heran. "Summertime" wird zu einem Klang- und Rhythmusrausch, der nur noch entfernt an Gershwin erinnnert. Brillant die freie A cappella-Kadenz Jarreaus, in der er lautmalerisch die Sorgen einer stillenden Mutter wiedergibt.

Soviel bezwingende Präsenz gelingt nicht jedem

An unterschiedlichen Facetten fehlt es dieser Neufassung nicht. "It Ain’t Necessarily So" wird bei Jarreau zu einem frechen Song gegen allzu fanatische Bibelinterpreten. "There’s A Boat That’s Leaving Soon For New York" verströmt ungebrochene Lebensfreude, "Oh Bess, Where’s My Bess” dagegen grübelnde Selbstzweifel. Bei den lang ausladenden Tönen von "Bess, You is My Woman Now” hört man, wie nahe Gershwin seinen Zeitgenossen Kurt Weill und Strawinsky stand und dass die NDR Bigband problemlos auch in diese klassischen Musikwelten hinüber gleiten kann.

Doch auch der klassische Bigband Sound wird in "I Got Plenty of Nuttin’" nicht unterdrückt. Mit einem traurigen, fast religiösen "Oh Lord, I’m On My Way" endet der faszinierende Abend, der durch die magische Präsenz Jarreaus in manchen Momenten eine rituelle Intensität erhält. Nächste Konzertdaten:

30.11. Dortmund

3.12. Berlin

4.12.Hamburg