Jazzpianist Wolfgang Dauner wird 80

Stuttgart (dpa) - Es piepst aus den Lautsprechern, verzerrte Klänge erinnern an Posaunen, dazu Trommelwirbel und aufgespaltene Akkorde auf dem Flügel.

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Der Pianist Wolfgang Dauner präsentiert an diesem Abend in Stuttgart seine eigene Vision von Musik, sitzt vor den weißen und schwarzen Tasten, steht an Synthesizer und Laptop. Ihm gegenüber spielt sein Sohn, der Schlagzeuger Florian Dauner. Gemeinsam erzählen sie ihre „Elektronischen Mythen“.

Wolfgang Dauner bleibt sich dabei mit der Mischung aus Jazz, Elektronik, Klassik und Rock auch im Alter treu: Am 30. Dezember feiert mit ihm einer der renommiertesten Jazzpianisten Deutschlands seinen 80. Geburtstag. Im Januar soll er mit dem Landesjazzpreis Baden-Württemberg für sein Lebenswerk geehrt werden.

Der gebürtige Stuttgarter forderte stets diejenigen heraus, die in musikalischen Schubladen denken. „Ich will die Menschen emotional erreichen“, sagt Dauner über sein Selbstverständnis. „Ich mache ja nicht nur für mich Musik.“ Heute nehme er deswegen mehr Rücksicht auf seine Zuhörer.

Er, der als Kind mit einer klassischen Klavierausbildung begann, verband gerne Unterhaltungsmusik mit Klassik, akustische Klänge mit elektronischen. „Er ist ein universaler Künstler“, sagt der Trompeter Manfred Schoof. „Er ist nicht nur Jazzmusiker, sondern ein Künstler, der jegliche Musik versteht und auch vermitteln kann.“

Ab und an setzte Dauner dabei auch auf Extreme: Bei einem Auftritt in Frankfurt 1968 zertrümmerte er eine Geige. „Das war ein Happening“, sagt Dauner - schwarzer Schnauzer, Brille und weißer Zopf. Er lacht. Sie hätten improvisiert, mit Tanz, Sprache und Theater gearbeitet, erzählt er. Selbst die Free Jazzer hätten komisch geguckt. „Die haben gespürt, dass wir etwas machen, was sie noch nicht machen.“ Dauner ließ sich auch von Karlheinz Stockhausen und seiner Neuen Musik inspirieren.

Bei der Aufführung seiner Jazzoper „Der Urschrei des Musikers“ 1976 in Berlin ließ Dauner Auszüge aus Verträgen mit Musikern vorlesen. Die Oper sei eines seiner wichtigsten Werke gewesen, sagt er heute. Das Werk behandelt die Mechanismen in der damaligen Schallplattenindustrie.

Dauner brachte sich den Jazz letztlich selbst bei. Schon als Jugendlicher hörte er Schlager aus dem Radio heraus, spielte sie nach und variierte sie. „Ich bin in Kontakt mit der Improvisation gekommen, bevor ich überhaupt wusste, was Jazz ist“, sagt Dauner. Später trat er in den amerikanischen Clubs rund um Stuttgart auf - und musste Abend für Abend den Klassiker „Rosamunde“ spielen.

Nach der Schule studierte er ein Jahr klassische Trompete an der Hochschule für Musik in Stuttgart, Klavier belegte er im Nebenfach. Für ein Hauptfachstudium in Klavier war er zu alt. Dabei wollte er lediglich seine Technik verbessern - um besser improvisieren zu können. „Es war alles auf Jazz ausgerichtet“, sagt Dauner. Das Trompetenspiel gab er nach dem Studium auf.

Mit dem Esslinger Bassisten Eberhard Weber und dem Schlagzeuger Fred Braceful gründete Dauner 1963 das Wolfgang Dauner Trio. Für seine erste Schallplatte „Dreamtalk“ ließ er sich vom elegischen Klavierspiel Bill Evans' inspirieren. 1976 war er Mitbegründer des United Jazz + Rock Ensemble, mit dem er später auch den Deutschen Schallplattenpreis erhielt.

Nachdem er im November 1999 einen Schlaganfall erlitt, musste Dauner um die Rückkehr ins Musikgeschäft kämpfen. Dabei bereiteten ihm allerdings die Reaktionen der Menschen deutlich größere Schwierigkeiten als kurzzeitige Probleme mit seiner linken Hand. „Es hat niemand mehr angerufen“, sagt er. Zwei Monate pausierte er. Bis heute bekommt er weniger Aufträge.

Stattdessen setzt er nun auf eigene Projekte, auch mit seiner Frau, der Künstlerin Randi Bubat. Seit ein paar Jahren macht er wieder Musik mit seinem Sohn. Florian Dauner ist unter anderem Schlagzeuger der Hip-Hop-Band Die Fantastischen Vier und spielt bei der ProSiebenSat.1-Show „The Voice of Germany“. Im vergangenen Jahr brachten sie die Platte „Dauner//Dauner“ heraus.

„Wenn er auf der Bühne steht, dann ist das mit einer irren Spielfreude verbunden“, sagt Florian Dauner über seinen Vater. „Das gefühlte Alter ist dann eher 18 oder 20 und nicht 80.“ Oder wie es Wolfgang Dauner selbst sagt: „Ich werde Musik machen, bis ich den Löffel abgebe.“