Je oller, je doller: Udo Lindenberg rockt wieder

Gelsenkirchen (dpa) - Am Schluss lässt Udo es nochmal so richtig krachen: Er steigt in einen Raumanzug, lässt sich einen Helm aufsetzen und schwebt auf einem Podest an feinen Seilzügen in die Höhe, ins Dunkle hinter die Bühne - und kommt tatsächlich nicht wieder.

Auf der Leinwand startet wenig später eine Mondrakete mit viel echtem Feuer, Höllenlärm und dickem Qualm. Was für ein Abgang nach zweieinhalb Stunden Panik-Vollgasshow. Die fast zehn Zugaben nach einem leisen und völlig unglaubhaften „Auf Wiedersehen“ hatte er da schon lange hinter sich.

Udo Lindenberg tourt wieder durch Deutschland. Am Freitagabend startete er seine dritte Stadiontournee vor rund 38 000 Fans in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen. Erst am Dienstag hatte Lindenberg seinen 70. Geburtstag gefeiert.

Udo schwebt nicht nur aus der Show heraus, sondern auch herein - ohne Raumanzug. Nachdem Sänger Daniel Wirtz das Publikum überzeugend auf Betriebstemperatur gebracht hat, gleitet die „Paniknachtigall“ auf einem schmalen Podest ganz easy von hinten über den Innenraum hinein, sein Stück „Odyssee“ auf den Lippen. Die Leinwand öffnet sich, ein Schiffsbug wird sichtbar, „Rock Liner“ heißt es. Udo sieht aus wie immer: Hut, Sonnenbrille, Nietengürtel, feine Hose und ein Sakko, später ein anderes und auch mal ein Frack. Und dann die Umarmung des Publikums.

„Das war ein fantastischer Empfang, eine große Liebeserklärung. Hier im Pott ist es charmant-direkt. So wie ich das liebe“, sagt Lindenberg und stellt fest: „Die ganze Panikfamilie ist am Start.“

Und ganze Panikfamilien. Zum Beispiel eine aus Stadtlohn im Münsterland. Der 35-jährige Familienvater mit Lindenberg-Shirt und Udo-Hut auf dem Kopf ist schwer begeistert von dem aus dem münsterländischen Gronau stammenden Musiker. „Seine Texte sind zeitgemäß. Er hat nie vergessen, was die Welt bewegt. Er hat die Nase im Wind.“ Sein Schwiegervater (64) pflichtet ihm bei. „Er steht voll im Leben, hat aber ja auch Durchhänger gehabt.“

Und dann kommt die achtjährige Sophie: „Der hat eine Wahnsinnsstimme. Der kann alles rocken.“ Stolz erzählen die Eltern, Sophie habe bei ihrer Hochzeit im vergangenen Jahr sogar einen Lindenberg-Song zum Besten gegeben.

Ansonsten besteht die große Panikfamilie an diesem Abend aus vielen älteren Semestern mit der 50 im Rückspiegel. Die 70 allerdings überschreiten augenscheinlich nur wenige. Unter den Fans sind zahlreiche „Gronauten“, also Udo-Fans aus Gronau, seiner Heimatstadt. Und mindestens einen erkennt er sogar: „Da ist Sonja, die Bürgermeisterin. Ich sehe Dich.“

Keine Panik! Lindenberg-Fans kommen voll auf ihre Kosten. Udo singt Stücke von seinem neuen Album wie „Plan B“ oder „Einer muss den Job ja machen“ und Klassiker wie „Hinterm Horizont“ und „Sonderzug nach Pankow“. Am Ende sind 34 Stücke auf die Bühne gekommen.

Udo und sein Panikorchester haben viele Gäste. Marius Müller-Westernhagen singt mit Lindenberg „Sexy“ und das Stadion tobt, Otto Waalkes gibt Gas bei „Auf dem Heimweg wirds hell“, eine Parodie auf „Highway to hell“. Mit den beiden hatte Lindenberg mal in einer WG zusammengelebt. Jazz-Legende Klaus Doldinger ist auch mit einem Solo dabei. Dass er gerade 80 Jahre geworden ist, sieht man ihm sowenig an wie Udo die 70.

Und sonst? Noch mehr, was schwebt: Beim Lied „Gösebrecht“ ein Ufo zum Beispiel, dem vier Tänzerinnen entsteigen. Und dann auch noch Herr Gösebrecht als Mars-Alien. Große Leinwände hinter dem Orchester zeigen jede Menge Videos passend zum Stück. Bei „Bodo Ballermann“ sehen die Zuschauer etwa einen jüngeren Udo Lindenberg beim Fußballtraining - wie überhaupt viele Fotos aus Udos bewegtem Leben zu sehen sind.

Am Ende der runden Show sind die Zuschauer begeistert. Eine jüngere Frau sagt tatsächlich den Satz „Udo rockt echt ab“. „Grandios“ fand ein 47 Jahre alter Konzertbesucher die Show. „Ich bin eigentlich gar kein Lindenberg-Fan“, sagte er. „Hut ab vor seinen 70 Jahren.“