Jonas Kaufmann in „Don Carlo“ gefeiert
München (dpa - Das Opernpublikum in New York ist noch frisch in ihn verliebt, für die Münchner ist Jonas Kaufmann eine alte Liebe, die nach langen Trennungen immer wieder neu entflammt:
Nach Auftritten an der Metropolitan Opera, der Mailänder Scala und dem Royal Opera House in London kehrte der jüngst meist Wagner verbundene Tenor zurück in seine Heimatstadt München - diesmal für Verdi. Als Prinz von Spanien sorgte der 42-Jährige Beau in der Wiederaufnahme von „Don Carlo“ am Sonntag für Begeisterungsstürme in der Bayerischen Staatsoper, auch die anderen Hauptrollen sind hochkarätig besetzt.
Seit Monaten war die Vorstellung ausverkauft. Betagte Damen in Mantel und Hut standen vor dem Beginn bei frostigen Temperaturen auf den Stufen des Nationaltheaters und suchten noch mit selbstgeschriebenen Pappschildern nach Restkarten. Denn Auftritte von Jonas Kaufmann in München sind selten geworden: Sein Terminkalender ist auf Jahre hinaus gefüllt mit Auftritten auf den wichtigsten Bühnen der Welt. Das US-Klassik-Magazin „Musical America“ kürte ihn vor wenigen Wochen zum „Sänger des Jahres“.
Als Infant von Spanien legt Kaufmann den ganzen Schmerz um die verlorene Liebe seines Lebens in seine Stimme und sein Spiel - wie später die kämpferische Leidenschaft und Auflehnung gegen den König und Vater. Denn Spaniens Philipp II. nimmt die eigentlich Prinz Carlos versprochene Elisabeth von Valois, die Tochter Heinrichs II. von Frankreich, aus Gründen der Staatsräson zur Frau, um den Krieg zwischen Frankreich und Spanien zu beenden. Über den Verlust kommen weder Carlos noch Elisabeth hinweg, das führt zur Tragödie.
In Münchens „Don Carlo“ teilt der dunkel gelockte Tenor sich die Bühne gleich mit mehreren Spitzensängern. In der Rolle der Elisabeth glänzt die zarte Anja Harteros. Sie hält sowohl in den jubelnden Partien des kurzen Glücks mit Carlos sowie der tiefen Verzweiflung in der Zwangsehe mit dessen Vater König Philipp II. (René Pape) mit vollem und klarem Sopran stets das richtige Maß und reißt das Premierenpublikum zu Bravo-Rufen hin.
Auch Pape als König ist in der Zerrissenheit zwischen seinen Gefühlen als Vater, der Pflicht als König und dem Gehorsam der Kirche umjubelt. Boaz Daniel als Marquis de Posa, Eric Halfvarson als unbestechlicher Großinquistor und Anna Smirnova als Prinzessin Eboli überzeugen ebenfalls. Die musikalische Leitung und Bayerisches Staatsorchester sowie Chor stets gut im Griff hat Asher Fisch.
Neben dem Kampf um Liebe, Eifersucht, Freundschaft sowie den spanischen Thron um 1560 ist die Kirchenmacht allgegenwärtig. „Hüte Dich vor dem Großinquisitor“ ist eine der wichtigsten Warnungen. „Don Carlo“, Verdis dunkelste Oper, wurde 1867 in Paris uraufgeführt. In seiner Inszenierung am Nationaltheater München belässt Jürgen Rose Kostüme und Spiel in dieser Epoche und setzt sie auf einer düsteren und kargen Bühne in Szene. Das Bühnenbild besteht größtenteils aus einem grauen Raum mit zahlreichen Türen und einem dunklen, überdimensionalen Kruzifix. Umso stärker hebt sich die farbig-pompös gestaltete kirchliche Prozession zum Scheiterhaufen vor der Ketzerverbrennung ab. Unter den gefesselten nackten und blutigen Leibern der Ungläubigen lodern schließlich echte Flammen.
Auch wenn der strahlend schöne spanische Infant alias Jonas Kaufmann dem Tod am Ende nicht entgehen kann - dem Großinquisitor gelingt es nicht, Carlos der Inquisition zu unterwerfen. Davor rettet ihn der Geist seines Großvaters, des Kaisers Karl V.: Er nimmt ihn in seine Obhut und steigt mit ihm die Stufen zur Klostergruft hinab - ehe das begeisterte Publikum ihn und seine Gefährten nach der Vorstellung jubelnd immer wieder vor den Vorhang ruft.