Junip: Wohliger Schauder, sanfter Grusel
Für ihr Debüt 2010 brauchten sie zwölf Jahre — doch jetzt haben Junip einen Lauf. Mit ihrem zweiten Album bauen die Schweden um José González magische Klangwelten auf.
Düsseldorf. Die Entstehungsgeschichte der Band gehört in die Kategorie „Ungewöhnlich“. Bereits 1998 gründeten sich Junip, doch bis zum ersten Album sollte es über zehn Jahre dauern. In der Zwischenzeit war es Sänger José González gelungen, mit seinem Solodebüt „Veneer“ (2003) bis in die Top Ten der britischen Albumcharts zu klettern und zu einem der meistgeliebten Liedermacher Europas zu werden.
Gefühlvolle, reduzierte Coverversionen von The Knife („Heartbeats“), Massive Attack („Teardrop“) oder dem Joy-Division-Klassiker „Love Will Tear Us Apart“, vorgetragen mit einer Gesangsstimme, die an Nick Drake oder Elliott Smith erinnert, trugen zum raschen Ruhm des Schweden bei.
2010 folgte dann die Rückbesinnung aufs Bandgefüge. Mit seinen Freunden Tobias Winterkorn und Elias Araya nahm González den Faden von Junip wieder auf. Gemeinsam belebte das Trio Songentwürfe und Ideen wieder, die für Jahre im Verborgenen geschlummert hatten. Doch statt Staub angesetzt zu haben, stellten sich die Nummern schnell als gut gereift und frei interpretierbar heraus.
Das Debütalbum „Fields“ wurde durch seine besondere, nahezu hypnotische Atmosphäre zum großen Erfolg. Folk, Kraut Rock, Blues und Psychedelic Pop verschmelzen zu schillernden Irrlichtern in einer mysteriösen Mitternachtswelt. Ein Klang, dem sich auch viele Fans des Solowerks von José González nur zu gerne hingaben.
Bei Junip kommt es auf die Gesamtheit der einzelnen Bestandteile an. Jeder der drei Musiker fügt ein individuelles Element hinzu; aus allem formt sich ein charakteristisches, unverwechselbares Ganzes. Neben der einzigartigen Stimmvielfalt von Sänger und Texter González sowie dessen zartem Zupfen der Gitarre überzeugt das akzentuierte und doch leichtfüßige Spiel des Schlagzeugers Elias Araya. Auch bei den längsten Rhythmus-Wiederholungen hält er Tempo und Spannung aufrecht.
Verantwortlich für das brummende, basslastige Fundament vieler Stücke ist schließlich Tobias Winterkorn, der Orgel, Keyboard und alle anderen Tasten bedient. Eines seiner wichtigsten Instrumente: der Moog Prodigy. Der Synthesizer, Namensgeber des britischen Electro-Acts The Prodigy, wird auch von Bands wie Massive Attack oder Depeche Mode gerne eingesetzt und sorgt im Junip-Kosmos für ein breites Spektrum an Soundeffekten. So entsteht ein natürlich gewachsener Rock-Entwurf, der gegenwärtig keine Vergleiche findet.
Die Entstehung der Lieder beschreibt José González daher auch als lebendigen Prozess. „Wir drücken die Aufnahmetaste, wenn wir mit einer Jam-Session anfangen, und wenn wir fertig sind, existiert ein komplett strukturierter Song.“ Die eigene Musik in gängige Kategorien einzuordnen, liegt dem Schweden daher fern.
„Wir befinden uns gegenwärtig irgendwo zwischen einer deutschen Jazz-Combo und einer Pop-Band aus Afrika“, gibt der Songwriter anlässlich der Veröffentlichung des zweiten Albums „Junip“ launig zu Protokoll.
Klangwände türmen sich auf und wirken doch nie erschlagend. Immer ist eine sanfte, beinahe beruhigende Note in der Musik spürbar. Mit „Villain“ wagt sich das Trio weiter in moderne Rockgefilde als je zuvor. Electro-Pop trifft auf Garagen-Blues und erschafft eine gespenstische Gruselkulisse.
Auch „Your Call“ geht neue Wege. Hier zielen Junip in Richtung Tanzfläche und geben zu erkennen, dass sie auch dem Indie-Disco-Pop von Hot Chip etwas abgewinnen können. „Es fühlte sich an, als hätten wir neue Kleider an, als wir das Stück zum ersten Mal spielten. Anfangs war es noch etwas unbequem“, kommentiert José González die ungewohnten Soundeffekte. „Doch mittlerweile mag ich den Song sehr gerne.“
Passend zum neuen Album hat die Band zwei Videos ins Internet gestellt. Es handelt sich bei den Clips zu „Line Of Fire“ und „Your Life Your Call“ um einen Kurzfilm in zwei Episoden. Er erzählt eine Geschichte von Betrug, Sex und Erlösung am Beispiel einer religiösen Familie. Die teilweise verstörende, bedrückende Atmosphäre der Bilder wird dabei durch optimistische Botschaften in den Texten gebrochen. Es bleibt viel Raum zur eigenen Interpretation. In den Videos wie insgesamt im künstlerischen Werk von Junip. Diese Band lebt in ihrer eigenen Welt.