Superstar verglüht - RTL braucht „Strategieveränderung“
„Deutschland sucht den Superstar“ war neben dem „Supertalent“ über Jahre das Aushängeschild von RTL. Nun leidet die Show unter dem erlahmenden Publikumsinteresse - Gerüchte ums Ende machen die Runde.
Berlin. 12,84 Millionen - So viele Fernsehzuschauer hat normalerweise nur die Fußball-Nationalmannschaft bei Topspielen. So viele Menschen sahen aber auch im März 2003 das erste Finale des RTL-Castingspektakels „Deutschland sucht den Superstar“ („DSDS“), aus dem Alexander Klaws als Sieger hervorging. Bei der Verkündung der Entscheidung fieberten sogar gut 15 Millionen vor den Bildschirmen mit, wie die TV-Quotenforschung damals ermittelte.
Von solchen Werten träumen heute zwar alle TV-Shows, auch der ZDF-Klassiker „Wetten, dass..?“, aber insbesondere die RTL-Dauerwurst „Deutschland sucht den Superstar“, die sich mehr schlecht als recht in die Zielgeraden der zehnten Staffel kämpft. Wenn gegenwärtig vier Millionen Zuschauer einschalten, ist das schon beachtlich. Dass Carmen Nebel im ZDF oder „Frag doch mal die Maus“ in der ARD von der absoluten Zahl her besser abschneiden, ist längst nicht mehr ungewöhnlich
. Am Wochenende machten nun Gerüchte von einem baldigen Aus die Runde. Im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sprach RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger lediglich von Änderungen. „Wir müssen mutiger, risikofreudiger, schneller werden“, sagte er. Der bisherige „DSDS“-Ablauf habe sich überlebt, und nach zehn Jahren reiche es nicht mehr, „an kleinen Rädchen zu drehen“. Dann noch deutlicher: „Wir müssen drastischer sein, am großen Rad drehen.“
RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer reagierte am Montag auf vielfach geäußerte Vermutungen über ein Ende: „Wir rufen on air gerade für die neue Staffel auf und Tom Sänger kündigte im "Spiegel" grundlegende Änderungen an. Man will ja keine Sendung stark verändern, wenn man vorhat, sie einzustellen.“ Klar sei aber, dass „wir nach zehn Jahren Laufzeit stärker verändern wollen und müssen als in der Vergangenheit“.
Ob das reicht? Kritiker und Beobachter sehen den Eingriff am offenen Herzen mit Skepsis: „Die Sendung hätte sowohl eine Pause als auch eine neue Jury verdient“, sagt Joan Kristin Bleicher vom Institut für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg. „Deutschland ist mittlerweile gesangstechnisch ausgecastet. Daher wären innovative Formate wünschenswert.
Dazu wäre aber auch bei RTL eine entsprechende Strategieveränderung erforderlich.“ „Das Publikum schwankt erkennbar zwischen Inszenierungsfaszination und Inszenierungsekel“, sagt der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. „Am Anfang war man fasziniert, am Ende abgestoßen. Die vielen vorproduzierten Einspieler, die berechenbaren Attacken, die immer gleichen Rollenklischees - all dies ist längst bekannt.
Das heißt: Das Format hat sich selbst erledigt, weil es - sieht man von ein paar hektischen Neubesetzungen der Jury ab - kaum Variation erkennen ließ.“ Ohnehin sei die „DSDS“-Show „ein allein an der Währung der Quote orientiertes Spektakel, das man erfunden hat, um die Zuschauer möglichst effektiv an die Werbeindustrie zu verkaufen“, meint Pörksen.
„Niemand glaubt auch nur eine Minute, dass in einem solchen Format echte Talente entdeckt werden, die tatsächlich durch ihren Gesang auffällig werden.“ Diese Feststellung trifft jedoch auch auf andere Formate dieses Genres zu. Das Casting-Sterben hat indes schon längst begonnen: Die „Popstars“, der wahre Castingklassiker, der noch vor „DSDS“ auf Sendung ging und zum Start die „No Angels“ auf den Markt brachte, ist mittlerweile eingestellt.
Allerdings wanderten die Rechte an der Show kürzlich an das Unternehmen Brainpool, das offenbar immer noch Hoffnung und Geld in die Sendung zu investieren scheint. Auch die Vox-Show „X Factor“ hat sich erledigt. Das ProSiebenSat.1-System hält dagegen an „The Voice“ fest. Neuerdings läuft auch der Ableger „The Voice Kids“ recht ordentlich.
Dabei birgt jede „DSDS“-Runde auch ihre Überraschungen: Mit Susan Albers (20), Lisa Wohlgemuth (21) und Beatrice Egli (24) haben es gleich drei weibliche Kandidaten unter die letzten fünf geschafft: Vielleicht gibt es nach Elli Erl in der zweiten Staffel endlich mal wieder eine Frau, die sich zum „Superstar“ küren lassen darf.