Katharina Wagner überdenkt ihre Zukunft in Bayreuth
Bayreuth/Berlin (dpa) - Auf der einen Seite, da ist sie kämpferisch. Katharina Wagner sagt, dass man Kritik eben auch aushalten muss, wenn man die Bayreuther Festspiele leitet. Aber auf der anderen Seite, da ist sie nicht so euphorisch, als dass sie ihre Zukunft längerfristig auf dem Grünen Hügel plant.
Der „Welt am Sonntag“ sagte die 33-Jährige: „Ich kann heute noch nicht definitiv sagen, ob ich weitermachen will oder nicht.“
Die Saison 2012 markiert die „Halbzeit“ für die Wagner-Schwestern, deren Verträge bis 2015 laufen. 2009 sind die Urenkelinnen des Komponisten Richard Wagner erstmals als Chefinnen auf dem Grünen Hügel aufgetreten. Eva Wagner-Pasquier (66) jedoch wirkt eher im Hintergrund. Halbschwester Katharina Wagner ist das Gesicht der Festspiele.
Zunächst gehe es vor allem um das Jahr 2013, wenn Richard Wagners 200. Geburtstag ansteht, sagt sie. „Das muss gut werden. Danach schaue ich mir in Ruhe die Konstellation an und denke darüber nach, ob es für mich sinnvoll ist. Will ich vielleicht in Zukunft wieder mehr Regie führen? Wie sieht es bei mir privat aus? Das sind alles Fragen, die ich erst einmal für mich selber beantworten muss.“ Tatsächlich gibt es viele Baustellen, die Katharina Wagner die Lust auf viele weitere Jahre in Bayreuth verhageln könnten.
- Baustelle 1: die Kunst. Ist Bayreuth noch das Maß aller Dinge bei der Wagner-Rezeption? Sebastian Baumgartens „Tannhäuser“-Inszenierung aus dem Vorjahr wurde von Kritikerseite ungewöhnlich heftig angegangen. Die Suche nach einem „Ring“-Regisseur für das Jubiläumsjahr 2013 wirkte zäh. In Frank Castorf ist schließlich ein Mann fürs Radikale verpflichtet worden, der seinen Ruf als Stückezertrümmerer auch in Bayreuth pflegen dürfte. „Für uns ist Castorf erste Wahl“, versichert Katharina Wagner. Obwohl man andere auch gefragt habe. Aber die hätten nicht ausgerechnet den Jubiläums-„Ring“ inszenieren wollen.
Baustelle 2: das Festspielhaus. Das Bauwerk, das nach Plänen Richard Wagners ab 1872 in Bayreuth errichtet wurde, ist marode. „Unser Hauptproblem ist derzeit der Bauunterhalt“, sagte Katharina Wagner der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Immobilie sei schwer angegriffen, der Sandstein an der Fassade bröckele, Gesimse drohten herabzufallen, das Dach sei undicht. „Da sage ich als absoluter Baulaie, hier stimmt etwas in der Substanz nicht.“ Erste Kostenschätzungen für die Sanierung gehen von mindestens 20 Millionen Euro aus. Unklar ist, wie stark eine Restaurierung den Festspiel- und Probenbetrieb einschränken würde. Und natürlich ist noch völlig offen, wer bezahlt.
Baustelle 3: die Kartenvergabe. Die Rüge des Bundesrechnungshofs fiel heftig aus: Zu wenig Karten des staatlich subventionierten Festspielbetriebs gelangten in den freien Verkauf. Bei der Staatsanwaltschaft Hof gingen Anzeigen wegen Untreue ein. Alle Kartenkontingente mussten auf den Prüfstand. Wer nicht mehr bedacht wurde, wie etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), kritisierte die Festspielleitung heftig.
Baustelle 4: Die Krux mit dem Neuen. Ja, Katharina Wagner und ihre Halbschwester haben Neues gewagt auf dem Grünen Hügel und sind damit dem Motto ihres Urgroßvaters gefolgt. Die Kinderoper. Das Public Viewing. Richard Wagner sollte nicht mehr nur als Komponist für den Elfenbeinturm wahrgenommen werden. Auf dem Bayreuther Volksfestplatz tummelten sich viele Menschen beim Public Viewing, die vermutlich noch nie zuvor eine Oper gesehen hatten. Doch inzwischen hat Hauptsponsor Siemens sein Engagement beendet. Katharina Wagners neueste Idee: Wagner im Kino. „Wir arbeiten derzeit an Vereinbarungen mit mehr als hundert Kinos, über die ganze Republik verteilt“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Auch mit Kinos in der Schweiz, in Österreich und Großbritannien stehe sie in Kontakt.
Baustelle 5: die NS-Vergangenheit. Zu ihrem Amtsantritt hatte Katharina Wagner verkündet, die NS-Vergangenheit der Festspiele und der Familie wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Bekanntlich war Hitler bei Wagners in Bayreuth ein- und ausgegangen. Die neue Transparenz stieß allgemein auf großes Wohlgefallen. Doch ob die beiden beauftragten Historiker schon im Jubiläumsjahr 2013 Ergebnisse vorstellen können, ist unwahrscheinlich. Wagner sagt: „Die beiden Herren sichten mittlerweile das Material. Die Erwartungshaltung ist sicher etwas hoch, dass sie unbedingt zum Jubiläum Ergebnisse liefern.“