Tourauftakt in München Krachende Rock-Show von Aerosmith

München (dpa) - Es mag Band-Querelen gegeben haben und Ärger mit dem Management. Von dem ganzen Musik-Business hat Steven Tyler, Sänger und Gesicht der US-Rockband Aerosmith, anscheinend genug, so dass er das alte Hard-Rock-Schlachtschiff Aerosmith in die Rente schicken will.

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Aber soll man das wirklich glauben? Beim krachenden Auftakt ihrer „Aero-Vederci Baby“-Tournee am Freitagabend in München zeigten die Musiker vor mehr als 22 000 Fans, dass sie keineswegs müde sind - nicht in der Kehle, nicht in den Knochen.

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Die fünf Rocker aus Amerika geben auf der Bühne immer noch eine verschworene Gemeinschaft: Joey Kramer, der bullige Schmied am Schlagzeug. Tom Hamilton, der von Krankheit gezeichnete Bassist - von Tyler als „Mr. Sweet Emotion“ begrüßt. Und Rhythmusgitarrist Brad Whitford, der den stets treuen Adjutanten gibt für den genialen Solisten Joe Perry. Und natürlich: Steven Tyler. Der 69-Jährige steuert und lenkt und dirigiert gut gelaunt und souverän Band und Fans am ausverkauften Königsplatz.

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Keine Frage, er ist immer noch - sorry, Mick Jagger - der vielleicht beste Zampano im Rock-Zirkus. Nicht nur, weil er stimmlich noch immer absolut auf der Höhe der Zeit ist. Sondern auch, weil er seine Bühnenshow als ehemaliger Schlagzeuger präzise setzt, weil er Pausen schafft, reduziert, innehält - um urplötzlich wieder mit Mikrofonstativ über die Laufstege der Open-Air-Bühne zu hopsen. Zwischendurch bedient der Multi-Instrumentalist kompetent Perkussion, Mundharmonika und Flügel.

Optisch und verbal lässt Tyler kaum ein Rocker-Klischee aus. Bunte Hippie-Klamotten am androgynen Körper, eine noch immer lange Mähne und selbstverständlich mehrfach das „f“-Wort: Wenn er das Publikum im „fuckin' München“ begrüßt, ist das ähnlich nett gemeint, wie wenn er seinen Gitarristen konsequent mit „Joe fuckin' Perry“ anspricht. Er darf das: Die beiden hatten sich einst mit exzessivem Drogenkonsum den Spitzenamen „toxic twins“ erarbeitet.

Für ihre Abschiedstour hat die Anfang der 1970er Jahre gegründete Musiklegende Aerosmith natürlich alles im Programm, was gut und Hit ist: „Let The Music Do The Talking“ eröffnet den Song-Reigen, es folgen Knaller und melodische Songs aus ihrer 45-jährigen Karriere wie „Cryin'“, „Jaded“, „Livin' On The Edge“. Mit dabei: das Beatles-Cover „Come Together“ und - natürlich - die hymnische Ballade „I Don't Want To Miss A Thing“ aus der Feder der legendären Songschreiberin Diane Warren. Alles in allem ein Sound, der mal bluesgetränkter Rock, mal rockgetränkter Blues ist.

Letzteres gilt vor allem, als Tyler seinem musikalischen Zwilling Joe Perry das Spotlight überlässt und dieser zwei Fleetwood-Mac-Kamellen aus dem Hut zaubert: „Stop Messin' Around“ und „Oh Well“. Hier zeigt Perry, dass Blues in seinen Adern fließt, und Tyler belegt mit einem fantastischen Solo, dass er - nochmals sorry, Mr. Jagger - auch als Bluesharp-Spieler der bessere ist.

Ob der Name „Aero-Vederci Baby“ wirklich Programm ist? Man mag es kaum glauben - und die Rocker offenbar auch nicht. Sie haben enormen Spaß an ihrem Job. Und vielleicht überlegen sie es sich ja doch noch einmal anders. „Man kann nie wissen“, sagte Steven Tyler der Deutschen Presse-Agentur am Tag vor dem Konzert. Tiefenentspannt, höflich, gut gelaunt und geradezu liebenswürdig gibt sich die Rocklegende im Gespräch. Eines ihrer Ziele sei eigentlich gewesen, die „last band standing“ zu sein. Und jetzt, nachdem die Band wieder einige Shows zusammen gespielt habe, seien sie gerade dabei, sich wieder ineinander zu verlieben.

Da scheint der Rücktritt vom Rücktritt jedenfalls möglich zu sein. Das dürfte vor allem die Band-Kollegen freuen. Im Interview reagieren die Herren auf Frage, warum sie aufhören wollen, ziemlich ratlos. „Wir lieben die Musik. Das ist es, was wir machen wollen“, sagt Drummer Joey Kramer. Und auch Tom Hamilton und Brad Whitford sagen unisono: „Es gibt keinen Grund aufzuhören.“ Die Fans dürfen hoffen.