Salzburger Pfingstfestspiele „L'Italiana in Algeri“: Einwanderungspolitik leicht gemacht
Salzburg (dpa) - Die laute Stimme eines Muezzin über den Dächern der Salzburger Altstadt, das wäre die ultimative Provokation für die neue, rechtsgerichtete österreichische Bundesregierung.
Doch der Ruf kommt vorerst nur vom Band und markiert den Beginn einer Neuinszenierung von Gioachino Rossinis Opernkommödie „L'Italiana in Algeri“, mit der am Freitagabend die Salzburger Pfingstfestspiele eröffnet wurden. Ein heftig umjubelter, wenn auch etwas eindimensionaler Abend.
Natürlich dreht sich bei den Pfingstfestspielen, ein Ableger des berühmten Sommerfestivals, wieder alles um die italienische Diva Cecilia Bartoli. Die umtriebige, vor Ideen sprühende Künstlerin ist nicht nur Intendantin des Festivals, sondern singt stets die Hauptrolle in der jeweiligen Opernpremiere. Das garantiert Opern- und Konzertkulinarik auf höchstem Niveau.
Dieses Jahr debütiert Bartoli in der Rolle der Isabella und fasziniert einmal mehr mit ihrer überwältigenden Spielfreude und mit ihrem bis in tiefe Alt-Lagen herab bestens austarierten Koloratur-Mezzos. Berechtigter Jubel für diesen sympathischen Star. Einer ihrer zahlreichen Verehrer im Publikum warf Bartoli beim Schlussapplaus einen Strauss Pfingstrosen zu, den sie zerpflückte, um die Blüten unter anderem dem bravourösen Hornisten des französischen Ensembles Matheus unter Jean-Christophe Spinosi zu überreichen.
Auch der aus Uruguay stammende Tenor Edgardo Rocha mit metallischem Timbre als Lindoro und der ungarische Bassbariton Peter Kálmán ließen zumindest stimmlich keine Wünsche offen. Eines der besten Rollenporträts liefert an diesem Abend der italienische Bariton Alessandro Corbelli als Isabellas tapsiger Begleiter Taddeo, der in die schöne Frau genau so unglücklich verliebt ist wie Mustafà.
Dass sich der Abend trotzdem etwas zieht, vor allem nach der Pause, lag einerseits an der, mit Ausnahme der bekannten Ouvertüre, nicht besonders einfallsreichen Musik mit den üblichen Versatzstücken aus Rossinis Opernbaukasten. Es liegt auch an der ganz auf Situationskomik gebauten Regie des von Bartoli überaus geschätzten Regieduos Moshe Leiser und Patrice Caurier.
Das Originallibretto erinnert an Wolfgang Amadeus Mozarts „Entführung aus dem Serail“: Der alternde algerisch-türkische Potentat Mustafà ist seiner Hauptfrau Elvira überdrüssig und sucht nach neuen sexuellen Herausforderungen. Da wird infolge eines Schiffbruchs die italienische Schönheit Isabella an Land und in die Arme Mustafàs gespült. Doch Isabella hat ihr Herz schon längst an dessen italienischen Sklaven Lindoro verloren, den Mustafà mit Elvira verkuppeln möchte, um sie auf elegante Weise los zu werden - heitere Verwicklungen sind programmiert.
Moshe Leiser und Patrice Caurier verlegen die Handlung in die Gegenwart und in das abgerissene Ambiente einer nordafrikanischen Hafenstadt. Mustafà ist ein aus seinen besten Jahren weit herausgewachsener Westentaschen-Pate, der mit seiner Bande westeuropäische Unterhaltungselektronik schmuggelt. Isabella betritt als fesche italienische Touristin auf dem Rücken eines Kamels die Szene. Und Lindoro lernt das Publikum als italienischen Aussteiger mit Rastafrisur kennen, der Mustafà mit einem Staubsauger als Putzhilfe dient.
Die Inszenierung spielt recht flott, aber erwartbar, mit kulturellen Klischees aus Abend- und Morgenland, im Takt zur Musik Spaghetti fressenden Italienern und Kamele treibenden, zuweilen mit Pistolen fuchtelnden Nordafrikanern, vermeidet jedoch peinlich jede aktuelle Anspielungen. Am Ende findet Mustafà zu seiner muslimischen Gattin, Isabella zu ihrem Lindoro zurück. Und die Italiener verschwinden mit dem Kreuzfahrtdampfer gen Heimat. So einfach geht Einwanderungspolitik. Daran hätten selbst der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine FPÖ-Koalitionäre ihre Freude.