Letzter Vorhang für Kirsten Harms
Berlin (dpa) - Am Ende hatten sie alle lieb. Zum Abschied der Intendantin der Deutschen Oper feierte das Publikum Kirsten Harms am Sonntagabend in Berlin, als sei nichts passiert. Die Idomeneo-Affäre?
Vergangenheit. Pleiten, Pech und Pannen - verziehen. Nach ihrer letzten Inszenierung, „Die Liebe der Danae“ von Richard Strauss, gab es für Harms (54) einen versöhnlichen Abgang.
Mit Strauss' vorletzter Oper um die Prinzessin Danae, die ihr bankrotter Vater, König Pollux, mit dem reichen Midas verkuppeln möchte, blieb sich die Regisseurin treu. Sie hatte das Werk schon in Kiel inszeniert, von wo sie vor sieben Jahren in die Hauptstadt gerufen wurde. In Berlin machte Harms die Aufführung selten gespielter Werke zu ihrem Markenzeichen - und hatte damit nur selten Glück. Lob erntete sie mit Walter Braunfels' „Jeanne d'Arc - Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna“, für die sie den damals schon erkrankten Christoph Schlingensief gewann.
Als Regisseurin gelingt es Harms zum Abschied nur schwer, eine Duftmarke zu setzen. Sie beherrscht zwar souverän die Schauspielführung, lässt aber das üppig orchestrierte Stück in den Betonmauern eines Museums abtropfen. Die Sänger und der Chor müssen sich im kargen Ambiente erst einmal warmsingen. Manuela Uhl in der Titelpartie beeindruckt mit ihrer ausdrucksstarken Stimme. Auch das Orchester unter Andrew Litton macht die Klangkaskaden und Endlosmelodien zu einem Hörerlebnis.
Harms hatte zur Spielzeit 2004/05 die Leitung der größten Oper Berlins übernommen. Nach dem Weggang von Dirigent Christian Thielemann und dem Intermezzo mit Götz-Friedrich-Nachfolger Udo Zimmermann sollte Harms dem fast 2000 Plätze großen Haus wieder Profil geben - vor allem in der Konkurrenz zur Staatsoper Unter den Linden mit Daniel Barenboim an der Spitze.
Der Skandal um die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ aus Furcht vor islamistischen Anschlägen machte Schlagzeilen und setzte Harms schwer zu. Sie fühlte sich von der Politik im Stich gelassen und musste selber entscheiden, ob die Inszenierung mit der Enthauptung einer Mohammed-Figur weiter gespielt wird. Ein Sicherheitsproblem sei zu einem Fall der Kunstfreiheit hochstilisiert worden, sagt sie heute. Nach Protesten wurde „Idomeneo“ noch zweimal gespielt.
Auch künstlerisch hing lange der Haussegen schief. Der italienische Generalmusikdirektor Renato Palumbo musste nach einer missglückten „Freischütz“-Premiere wieder einpacken, im Orchester regt sich bis heute Unmut, weil die Musiker im Durchschnitt rund 1000 Euro weniger verdienen als die Kollegen von der Staatsoper.
Die Finanzen blieben die Achilles-Ferse der Intendantin. So entschied Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD), ihren Vertrag nicht über 2011 zu verlängern. Der Basler Opernchef Dietmar Schwarz übernimmt erst 2012, bis dahin führt Generalmusikdirektor Donald Runnicles die Geschäfte. „Ich wäre gerne geblieben - vor allem angesichts der Zahlenentwicklung“, sagt Harms. Mit 81 Prozent Auslastung und 2,3 Millionen Euro Rücklagen hat die Deutsche Oper so viel Geld wie lange nicht mehr.