Midlake: Auch mit neuem Leadsänger in der Erfolgsspur
Berlin (dpa) - Den Leadsänger und Hauptsongwriter zu verlieren, bedeutet für die meisten Bands eine Zäsur, wenn nicht gar das Aus. Anders bei Midlake, den aufstrebenden Psychedelic-Rockern aus Denton im US-Bundesstaat Texas.
Sie machen einfach weiter, und das - wie man auf Album Nummer vier nachhören kann - mit großer Überzeugungskraft: „Antiphon“ (Bella Union/Pias/Cooperative) ist ein prachtvolles Herbstalbum geworden, mit verspielt-versponnenen Melodien und watteweichen Gesängen im Stil der 70er Jahre, angelehnt an den Westcoast-Pop von Crosby, Stills & Nash oder Fleetwood Mac.
Mit Gitarrist Eric Pulido ist die bisherige zweite Stimme nach vorn gerückt, weil Tim Smith wegen seiner Tournee-Abneigung vor einem Jahr ausgestiegen war. „Seine Hoffnungen waren weg, seine Energie“, sagte Pulido dem „Rolling Stone“ zum Abschied des bisherigen Midlake-Frontmannes.
Auch dank Smiths herausragender Stimme hatten Midlake vor sieben Jahren den Durchbruch geschafft. Ihr zweites Album „The Trials Of Van Occupanther“ (2006) war perfekter Retro-Softrock und in fast allen Jahresbestenlisten vertreten. Der Nachfolger „The Courage Of Others“ (2010) wandte sich dem verträumten britischen Folk der 60er Jahre zu und landete folgerichtig in den Top 20 der UK-Albumcharts.
Keine leichte Aufgabe, diesen Erfolgsweg nun personell geschwächt fortzusetzen. Aber Midlake bündeln auf „Antiphon“ all ihre Qualitäten - für das möglicherweise stärkste Werk ihrer Karriere. Prägnante Gitarren, satt ploppende Bässe, Flöten und Keyboards erzeugen einen warmen Klangteppich, auf dem Pulido und seine fünf Mitstreiter ihre erhebenden Vokalharmonien ausbreiten.
Man kann sich sakral anmutende Songs wie „It's Going Down“ oder „This Weight“ gut in einer Kirche vorstellen, andernorts erinnern Midlake aber auch wieder an Neo-Prog-Tüftler wie Radiohead oder an Vollbart-Folkies wie die Fleet Foxes. Diese stilistische Bandbreite - inklusive einer Menge Hippie-Flair - bot auch das einzige diesjährige Deutschland-Konzert im gut gefüllten Berliner Club Lido.
Eindrucksvoll stellten Midlake hier unter Beweis, dass die drei- oder vierstimmigen Vocals von „Antiphon“ keineswegs nur der Knöpfchendreher-Kunst eines gewieften Studio-Produzenten geschuldet sind - nein, diese Jungs können wirklich fantastisch singen. Und eine Querflöte, wie sie Jesse Chandler spielt, hat man wohl seit den großen Tagen von Jethro Tull nicht mehr so prominent in einem Folkrock-Kontext gehört. Feines Konzert, tolle Band.
Von Werner Herpell, dpa
Internet: www.midlake.net
Konzerte von Midlake 2014: 5.3. Köln, 7.3. Zürich, 9.3. München, 12.3. Hamburg