„My own way“: Rihanna wirft „Anti“ auf den Markt
New York (dpa) - „I got to do things my own way darling.“ Dass Rihanna, die von Millionen umjubelte Musik-Ikone und eine der erfolgreichsten Pop-Queens, sich in ihrem jungen Leben wenig sagen lässt, gilt als ausgemacht.
Mal kommt sie zu spät zum Konzert, mal zeigt sie sich mit Joint im Mund, mal soll sie beim Konzert einen Fan mit dem Mikrofon geschlagen haben. Doch all das sieht die Musikwelt ihr nach, wenn die 27-jährige Diva aus Barbados ihr neues Album auf den Markt wirft.
„Anti“ heißt die 13 Titel umfassende LP, die in der Nacht zum Donnerstag auf Tidal veröffentlicht wurde. Eine Woche soll sie in dem Streaming-Dienst von Rapper Jay-Z (46) exklusiv zum Kauf und zum Hören stehen, diesen Freitag soll eine Deluxe-Edition mit 16 Titeln folgen. Fans ohne Tidal-Konto mag Rihanna vergraulen, doch da sie an der im März 2015 gestarteten Plattform selbst beteiligt ist, dürfte ihr das beim nunmehr achten Studioalbum herzlich egal sein. Anders als bei ihren seit 2005 jährlich erscheinenden Alben, hat sie sich nun drei Jahre Zeit gelassen und Fans sehr lange neugierig gemacht.
Und auch musikalisch macht die für Rekord-Platzierungen gefeierte Sängerin mit „Anti“ fast alles „her own way“, auf ihre Art. Ganz große Radio-Kracher sind diesmal nicht dabei, und es scheint, als wolle Rihanna auch ein bisschen Neuland betreten. Man hört aber, meint das Magazin „Billboard“, dass bekannte Namen wie David Guetta und Dr. Luke diesmal nicht ihre Finger im Spiel haben.
„I got to do things my own way darling“, öffnet sie das Album mit „Consideration“, für das ihr auch R&B-Sängerin SZA ihre Stimme leiht. Mit luftigen Beats und neckischem, von Klatschen unterlegtem Gesang öffnet sie dieses nächste Kapitel ihrer 2005 begonnenen Karriere. Es folgt das nach Schmuse-Pop klingende Interlude „James Joint“, das sich aber nicht etwa um ihren Lover James, sondern um eben jenen Joint dreht, den Rihanna abseits der Bühne halt gerne mal im Mund hat. Die Takte waren seit April bereits auf ihrer Website zu hören.
Den möglichen Knaller ihrer Ende Februar startenden Konzerttournee, die im Juli und August auch in Deutschland Station macht, liefert Rihanna mit „Kiss It Better“: Eine rockige Ballade mittleren Tempos, in der sich Metallgitarren-Riffs mit bedrohlich klingenden Synthesizern vermischen. „Definitiv ein zukünftiger Live-Favorit“, schreibt der britische „Guardian“.
Ein weiteres Highlight folgt mit „Desperado“, aber erst, nachdem sie mit dem kanadischen Rapper Drake das per Auto-Tune aufgehübschte „Work“ liefert: Irgendwie genuschelt, geleiert, ohne richtigen Chorus kommt der Titel daher, und findet dann auch keinen richtigen Schluss, sondern wird einfach heruntergeblendet ins Nichts. Glücklich, dass mit „Desperado“ ein dramatischer, von ganz tief unten wummernder Titel folgt, den man auf einer guten Anlage laut aufdrehen möchte. „I don't want to be alone“, singt Rihanna zur düsteren Bassline und den kurz angetippten Klaviernoten - und lässt alles verschmelzen.
Gegen Mitte sackt das Album ab ins Atmosphärische, in einschläfernde Titel ohne wirklichen Anker, die triefen wie Sirup und langsam dahin stapfen, etwa wenn in „Woo“ ein aus dem Off gegurgeltes „woo, woo, woo“ aus dem Lautsprecher tönt. Drei der stärksten Songs von „Anti“ liegen innerhalb der ersten fünf Titel, danach flacht das Album ab. „Was ist ein Popstar ohne Hits? Rihanna wird es möglicherweise bald herausfinden“, ätzt der britische „Telegraph“.
Solch einen Hit mag die Pop-Königin nochmal ansteuern, wenn sie in „Same Ol' Mistakes“ das psychedelische „New Person, Same Old Mistakes“ von Tame Impala covert. Leider singt sie hier lediglich über das Original - inklusive den Vocals von Frontman Kevin Parker. Auch in „Never Ending“, das stark an „Thank You“ von Dido erinnert, mag Rihanna sich zu sehr auf schon vorhandenen Stoff verlassen haben.
„Anti“ ist sicher nicht Rihannas stärkstes Album, und einige Fans könnte es sogar vergraulen - etwa, wenn ihre Stimme in „Higher“ fast heulend, krächzend an ihre Grenzen stößt. Der im März als Ausschnitt auf Instagram erschienene Titel ist kaum erträglich. Doch man hört, dass die Sängerin neue Wege gehen will: „Love On The Brain“ klingt wie ein Amy Winehouse-Zitat, wenn sie von Doo-Wop Hintergrundsängern unterfüttert die Himmelsrichtung des Retro-Soul der 60er einschlägt.
Dass ein leise zwinkerndes Klavier sie in der Ballade „Close To You“ zum Ende begleitet, einem Stück komplette mit Strophe, Bridge und Chorus, das als Nachfolger von „Stay“ gelten kann, ist dann doch eine Art Statement an ihre alten Fans: Rihanna kann „echte“ Musik. Aber auf einigen Titeln wollte sie es eben „her way“ machen.