Neil Diamond wird 70
New York (dpa) - Ein Rock-Rebell war Neil Diamond nie. In der Blütezeit des Flowerpower wurde er als Sänger des biederen amerikanischen Mittelstands gehandelt. Aber bis heute füllt er die Konzertsäle und Arenen dieser Welt.
Seine schmachtende Reibeisenstimme unterlegt Neil Diamond gern mit bombastischen Orchestertönen. Theatralische Ohrwürmer wie „Sweet Caroline“, „Song Sung Blue“ oder „Red, Red Wine“ handeln von Liebe, Schmerz, Verlust und vergangenen Zeiten. Damit aber hat der Großmeister des Schmusesounds seit vier Jahrzehnten immer wieder Klassiker komponiert. Am Montag (24. Januar) feiert der Arbeitersohn aus Brooklyn, der am liebsten schwarze Pailletten-Hemden trägt, seinen 70. Geburtstag.
Aus dem Traum der einsamen Berghütte in den Rockys, wo er sich wie in seinem Hit „Solitary Man“ nur seiner Gitarre widmen kann, wird wohl so schnell nichts. „Ich bereite mich darauf vor, im kommenden Jahr um die Welt zu touren. Wo ihr auch immer seid, möchte ich auch sein“, twitterte Diamond vor kurzem seinen Fans. Zu unwiderstehlich findet er den Nervenkitzel, auf der Bühne zu stehen. „Ich bin süchtig nach dem Adrenalin, das bei einem Live-Konzert fließt. Ich muss auf Tour gehen, um diese Sucht zu befriedigen“, bekannte er einmal. Bisher stehen Neuseeland, Australien und Südafrika auf dem Programm.
Neil Leslie Diamond kam 1941 in Brooklyn zur Welt, wo er neben Barbra Streisand im Chor seiner Highschool stand - eine Tatsache, an die er sich allerdings nur noch vage erinnert. Die Kunst des Liedermachens lernte er von der Pike auf. Zunächst in Schülerbands, dann schrieb er als professioneller Songwriter für den New Yorker Brill Verlag - in einem winzigen Büro am Broadway, das aus Schreibtisch, Klavier und Münzfernsprecher bestand. Die 35 Dollar Wochenhonorar, die er zum Anfang bekam, waren gut investiert: Für Cliff Richard komponierte er Hits wie „Just Another Guy“ (1966) und „I'll Come Running“ (1967), für Deep Purple „Kentucky Woman“ (1967), für die Monkees „I'm A Believer“ (1966).
Der erste eigene Plattenvertrag kam 1966 bei Bang Records. Kurzfristig überlegte er, sich den Künstlernamen Noah Kaminsky zuzulegen. Dann aber wollte er das seiner im Sterben liegenden Großmutter nicht antun, den Familiennamen zu verleugnen. Von da an reihte sich ein Hit an den nächsten: „Solitary Man“ (1966), „Girl You'll Be A Woman Soon“ (1967) und „Red, Red Wine“ (1968). Und bald zählte Diamond zu den bestverdienenden Show-Stars der Welt. Bisher hat er 46 Alben veröffentlicht, die sich millionenfach verkauften. Erst im Mai 2008 schaffte sein Album „Home Before Dark“ es wieder auf Platz eins der US-Charts.
Mit seinem Album „Hot August Night“, einem Live-Mitschnitt eines Konzerts in Los Angeles, konnte er sich 1972 sogar gut eineinhalb Jahre in der US-Hitparade halten. Ein kommerzieller Volltreffer war auch der Soundtrack zu dem Film „Die Möwe Jonathan“, obwohl dieser von Kritikern als „ungenießbare Movie-Brühe“ verrissen wurde. Neil Diamond bekam dafür einen Grammy und einen Golden Globe. Während des „New Age“-Booms Mitte der 80er Jahre wurde das Album als Meditationsmusik wieder hoch gehandelt. „Beautiful Noise“, sein wohl bekanntestes Werk, erschien 1976.
Wenn er auf sein Leben als Musikstar zurückblickt, setzt bei dem vierfachen Vater bereits Altersweisheit ein. „Ich fand immer, dass Rock'n'Roll ein Zirkus war. Wir sind einfach nur Clowns in diesem Zirkus, wir sind Unterhalter und bringen die Leute zum Lächeln. Aber im großen Plan des Lebens, weiß ich nicht, wie wichtig irgendeiner von uns wirklich ist“, bekannte er vor kurzem dem US-Musikmagazin „Rolling Stone“.
Aber stolz ist er doch, wenn er im März nun endlich in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wird - gemeinsam mit Alice Cooper und Tom Waits. „Es wird sich toll anfühlen, im gleichen Club zu sein wie die Beatles, Elvis Presley und Ray Charles. Wir haben das gleiche Leben geteilt, über holprige Straßen und unter wunderschönen klaren Himmeln. Ich hatte sehr viel Glück, dass ich es geschafft habe, das ein ganzes Leben lang zu tun“, sagt er.