Neues Album: Kettcar liefern Songs für den Kloß im Hals

Nach dem wütenden und sperrigen „Sylt“ von 2008 legt die Hamburger Indie-Combo Kettcar ein ruhiges, wehmütiges Album vor.

Düsseldorf. Das alte Kinderspiel heißt „Teekesselchen“: Ein Wort mit zwei Bedeutungen wird gesucht. „Meins hat vier Räder und Pedale“, würde es ein vierjähriger Junge umschreiben. Der 43-jährige Marcus wiederum würde sagen: „Meins macht Musik und kommt aus Hamburg.“

Und? Erraten? Die Lösung heißt: Kettcar. Aber warum nennen sich fünf Musiker wie ein Tretauto? „Als wir 2001 anfingen, da hatten wir noch keinen Namen“, erinnert sich Sänger Marcus Wiebusch. Sie fragten damals ihren Freund Rasmus Engler von der Indie-Band Herrenmagazin, ob er ihnen zwei Vorschläge machen könne. Gesagt, getan. „Wir haben uns dann für Kettcar entschieden. Der andere Name wäre Brokkoli gewesen.“

Seit zehn Jahren bereichern Kettcar die deutsche Musiklandschaft mit ihrem lyrischen Indie-Pop. Ab Freitag (10. Februar) steht das mittlerweile vierte Studio-Album namens „Zwischen den Runden“ in den Läden. „Es wurde in Hamburg, im Wendland und im Rio-Reiser-Haus in Stadum aufgenommen“, erklärt der Sänger. Die neue Musik hat wieder den typischen Kettcar-Sound: Gitarrenpop, gepaart mit tiefsinnigen, oft melancholischen Texten. Aber: „Es ist ein ruhiges Album geworden“, sagt Wiebusch. Der Vorgänger „Sylt“ war schriller, düsterer, sperriger, hatte bei einigen Fans „angeeckt“. „Entweder hat man „Sylt“ geliebt oder gehasst“, sagt der Hamburger. „Wir sind als Band gefestigt, diese Platte ist homogener.“

Die Texte stammen von Wiebusch und Bassist Reimer Bustorff. „Die kommen mir nicht bei einem Spaziergang im Park“, sie entstehen vor allem dadurch, dass er sich mit Kunst aller Art „anreichert“: „Ich lese sehr viel, gehe in Museen, besuche Ausstellungen.“

Er erklärt es an dem neuen Song „Nach Süden“. „Eine Zeit lang war das Thema Glück in sämtlichen Medien vertreten: ,Was ist Glück?’ oder ,Wie werde ich glücklich?’.“ Als er dann den Satz hörte: „Glück ist, keinen Krebs zu kriegen“, hatte er eine Idee: Ein Mann mit einer Krebserkrankung wird nach langer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen und fährt endlich nach Hause, zwar in eine ungewisse Zukunft, dafür aber sehr glücklich. Ein Lied, das berührt und nachdenklich stimmt. Wenn er es hört, muss er selbst dabei schlucken, sagt der Sänger.

Die Band hat sich im letzten Jahr neu aufstellen müssen, da Schlagzeuger Frank Tirado-Rosales ausstieg. „Das war extrem schmerzhaft.“ Immerhin haben Wiebusch und er mehr als 20 Jahre gemeinsam Musik gemacht. Da denkt man auch schon mal ans Aufhören. Doch soweit ist es nicht gekommen, ein Nachfolger ist gefunden: Christian Hake, der schon mit Olli Schulz spielte.

Oasis, Madsen, Tokio Hotel und Kettcar haben eins gemeinsam: Geschwister machen gemeinsam Musik. Wird es da nicht manchmal stressig, wenn Bruder Lars in der Band mitspielt? „Klar. Bei Konflikten bin ich zu den Bandkollegen immer höflicher als zu meinem Bruder.“ Es gab eine Zeit, da hatten die beiden in der Band mehr miteinander zu tun als privat.

Jetzt geht’s erstmal auf Tour durch Deutschland, „um unsere Familien zu ernähren“. Allein von Plattenverkäufen kann man heutzutage kaum leben. Als Vorband nehmen sie wieder junge Künstler mit: Singer-Songwriter Moritz Krämer, die Band Torpus und den Krefelder Patrick Richard. Letzterer wird wohl beim Hamburger Label Grand Hotel van Cleef unter Vetrag genommen. Marcus Wiebusch muss es wissen, schließlich ist er dort, gemeinsam mit Tomte-Kopf Thees Uhlmann und Reimer Bustorff, Geschäftsführer.

Wenn man so viel auf Reisen ist, gibt es da einen Ort, an dem man gerne mal spielen würde? Wiebusch überlegt und fragt: „Geht auch etwas Unrealistisches?“ Klar. „Dann in New York, im ausverkauften Madison Square Garden.“ Er lacht. „Aber nur vor blonden, langhaarigen Austauschstudentinnen.“