Nummer vier von The Strokes - Sauberer Neustart
Berlin (dpa) - Ihr Debüt gilt vielen als beste Rockscheibe der Nuller-Jahre. Für The Strokes aus New York war dieser Urknall Fluch und Segen zugleich. Nun versuchen sie einen Neustart. Album Nummer vier ist gut geworden - was zwangsläufig fehlt, ist der Schmutz als Hipness-Faktor.
Abgewetzte Lederjacken und ausgelatschte Sportschuhe, Schlabber-Shirts und Sonnenbrillen: The Strokes sehen immer noch so cool aus wie vor zehn Jahren, als sie mit ihrem ersten Album „Is This It“ der wieder mal kriselnden Rockmusik quasi aus der New Yorker Hinterhofgarage heraus einen Tritt in den Allerwertesten verpassten. Der lässig-vergammelte Look steht den fünf Musikern nach wie vor gut, obwohl sie jetzt alle um die 30 sind und statt Rockstar-Exzessen teilweise Windelwechseln auf dem Programm steht.
Doch welcher Sound passt zu den Strokes im Jahr 2011, wie kann diese Band die Bürde ihres bahnbrechenden Debüts abschütteln? Sänger Julian Casablancas und seine Mitstreiter haben sich für eine dezent elektronisch aufgeladene Variante ihres schnoddrigen Gitarrenrocks entschieden - und fahren gut damit.
Das Mitte März erschienene vierte Album „Angles“ (RCA/Sony) stieg in die deutschen Charts immerhin auf Platz 15 ein. Die Besprechungen in den USA, Großbritannien und Deutschland sind ganz überwiegend positiv, auch wenn kaum ein Kritiker den Hinweis vergisst, dass die Strokes früher natürlich besser waren. Damals, als mit „Is This It“ der perfekte Indierock-Hybrid aus Velvet Underground, Ramones und Television bejubelt werden durfte.
Immerhin: Der kontinuierliche Abstieg vom himmelhochjauchzenden Debüt (2001) über ein solides zweites Album („Room On Fire“/2003) und ein verkrampftes drittes („First Impressions Of Earth“/2005) ist gestoppt. Allerdings wurde „Angles“ hörbar nicht von einer kompakten Einheit gleichgesinnter Musikerkumpels zusammengeschraubt, sondern von fünf Individualisten mit recht unterschiedlichen Erfahrungen und Vorstellungen.
So wurde der bisher alleinregierende Songschreiber Casablancas angeblich entmachtet und schneite im Gegenzug nur noch für die Leadvocals hin und wieder ins Studio herein. „Jeder sollte seine Ideen einbringen“, sagte der 32-Jährige dazu diplomatisch dem „Musikexpress“ (April). „Ich habe mich ein wenig zurückgelehnt und am Ende alle Ideen miteinander verstrickt.“ Er sei ohnehin nie ein „Geschmacksdiktator“ gewesen, und: „In einem Büro sind schließlich auch nicht alle die besten Freunde, und trotzdem kann man auf einem professionellen Level hervorragend harmonieren.“ Na bitte, alles ganz harmlos.
Durch den Einfluss der gesamten Band auf Songwriting und Produktion ist „Angles“ das eindeutig abwechslungsreichste Strokes-Album geworden. Zwar nölt Casablancas gelegentlich immer noch so monoton wie der junge Lou Reed, doch insgesamt merkt man ihm die zehn Jahre als Profi-Rocksänger an. Der Sound ist gefälliger geworden, aber keineswegs ohne Ecken und Kanten.
Kurzum: Die Songs der Strokes 2011 machen Spaß. Neben typisch düsterem Garagenrock („Under Cover Of Darkness“) haben sie Reggae-Rhythmen („Machu Picchu“) und schnittigen 80er-Jahre-Powerpop („Two Kinds Of Happiness“) im Angebot. New-Wave-Synthies („Games“) verbinden sie mit Bass-Groove („Metabolism“) und Boogie-Gitarren („Gratisfaction“). Der abschließende Song „Life Is Simple In The Moonlight“ erinnert gar an den edlen Westcoast-Pop von Steely Dan.
Natürlich fehlen hier Schmerz und Schmutz des Debüts, aber auf dem Niveau von „Angles“ kann man durchaus in Würde altern. Casablancas streitet ohnehin ab, sich selbst jemals als „Retter des Rock“ gesehen zu haben. Mit Album Nummer vier sind die Strokes nun definitiv nicht mehr irgendwelche Heilsbringer, sondern eine Band für Stadien und Festivals. Mit einem Auftritt im riesigen Madison Square Garden in ihrer Heimatstadt New York geht es Anfang April los. Deutschland-Termine gibt es noch nicht.