Patrick Watson: In der Stille liegt die Kraft

Die Kanadier der Band Patrick Watson haben sich nach ihrem Frontmann benannt – und verzaubern auf ihrem neuen Album mit schmelzzarten Songs zum Träumen.

Düsseldorf. Man weiß vielleicht nicht warum, aber die Stille in der (Pop-)Musik übt ihre Faszination ganz offensichtlich auf jede Generation von Hörern aus. Selbst in der eher lauten Gegenwart, in der die gigantischen Stadionshows ewig angesagter Bands wie AC/DC, Metallica, U2 oder Green Day innerhalb von Stunden ausverkauft sind und mit "lauter" Musik aufwarten, die über Szenegrenzen hinweg den Massengeschmack dominiert, gedeihen die zarten und mitunter fragilen Gewächse der musikalischen Ruhe.

Leonard Cohen etwa, der Meister der leisen Melancholie, feierte jüngst ein umjubeltes Live-Comeback. Das neue Album ("The Crying Light") des Falsettsängers Antony und seiner in orchestralen Sphären schwebenden Combo "The Johnsons" wurde vom Großteil der Fachpresse als erste wirklich wichtige Neuerscheinung des Jahres 2009 gefeiert. Künstler wie Arcade Fire, Conor Oberst und Rufus Wainwright sind die Lieblinge einer ganzen Indie-Generation. Kein Wunder also, dass da auch eine Band wie Patrick Watson und ihr neues Album "Wooden Arms" für erheblichen Aufruhr sorgen dürften.

Immerhin bewegt sich der 30-jährige Namensgeber des Quartetts in der Tradition einer ganzen Reihe von populären "Meistern der Stille": Der Vergleich mit dem bereits genannten Rufus Wainwright ist da schon obligatorisch. Im Falle Jeff Buckleys, der bei seinem Tod im Jahre 1996 selbst erst 30 Jahre jung war, verhält es sich ebenso. Vielleicht auch, weil Watson mit seiner in vielen Fällen ähnlich klingenden Musik zwischen Folk, Pop und Avantgarde auch ein wenig als der verzweifelt gesuchte Nachfolger dieses Genies herhalten muss. Indes: Die Faszination, die Patrick Watson als Band ausüben, ist vielschichtiger, komplexer und übersteigt solche auf Einzelpersonen reduzierten Vergleiche bei Weitem.

Frontmann Watson muss sowohl in der Zeit seiner musikalischen Sozialisation als auch in den vergangenen Jahren ganz genau hingehört haben, was um ihn herum so passiert. Er ist einer der heutzutage weiß Gott rar gesäten Künstler, die sich bei so gut wie allen richtig klugen Köpfen bedienen. Bei Watson klingen, abgesehen von Buckley, Wainwright und Co., auch Elemente heraus, die an Radiohead, Björk, Nick Cave und seine Bad Seeds, Portishead, Sigur Ros, Feist (mit denen er schon zusammenarbeitete), Fleet Foxes und The Stills erinnern. Womit Watson sich auf einem selbst gewebten Klangteppich bewegt, der sich aus nicht weniger zusammensetzt als den Anleihen fast aller relevanten Indiepop-Interpreten der vergangenen Jahrzehnte.

Den Rest besorgt vielleicht seine Herkunft: Zwar kam Watson im lärmenden Kalifornien zur Welt, doch er wuchs auf in Kanada und somit fernab des traditionell eher harten "California-Sounds", der vor allem Punk und Metal hervorbrachte. Ganz bestimmt aber beruht die Schönheit von Watsons Musik auf dem Können seiner schlicht nach ihm benannten, dreiköpfigen Band um Simon Angell (Gitarre, Banjo), Robbie Kuster (Schlagzeug) und Mishka Stein (Bass), die schon das 2006 veröffentlichte und mit dem kanadischen "Polaris Music Prize" ausgezeichnete Album "Close To Paradise" zum Hörerlebnis machten.

"Wooden Arms" ist nun die logische Weiterentwicklung. Die elf neuen Stücke offenbaren die ganze hohe Songschreiber-Kunst von Watson und seinen Mitmusikern: Die eindringliche Stimme des Bandleaders flirrt vor einem Hintergrund, in dem einmal mehr Pop und Folk, aber auch Klassik und Country, orchestrale Passagen und zarte Solo-Gitarren, Psychedelic und Kammermusik verschmelzen. Das kann den Hörer stundenlang ungemein unterhalten - weil da offensichtlich ein echter Freak der anspruchsvollen Musik gemeinsam mit seinen nicht minder freakigen Freunden am Werk ist. Und das macht "Wooden Arms" beinahe schon kompatibel für das Genre der E-Musik.