Paul Kalkbrenner: Der Mann mit dem Mischpult
Der Film „Berlin Calling“ und der Titel „Sky And Sand“ haben Paul Kalkbrenner berühmt gemacht. Mit seinem neuen Album liefert der 35-Jährige Techno für die Massen.
Düsseldorf. Einfach nur Songs abzuspielen, wäre Paul Kalkbrenner zu wenig. Er ist kein DJ, er ist Musiker. Bei Konzerten stehen neben seinem Laptop die unersetzlichen Mischpulte: Knöpfchen und Regler belegt mit rohen Soundspuren. Jeder Auftritt des Berliners ist ein Unikat, bei dem er seine eigene Musik live vor der tanzenden Menge mischt.
Sein Durchbruch mit dem Film „Berlin Calling“ (2008) und dessen Hit „Sky And Sand“ hat daran nichts geändert, denn Kalkbrenner ist mit seinen 35 Jahren ein alter Hase, der sich seinen Erfolg konsequent erarbeitet hat. Statt abzuheben, hat er sich auf den Trompete spielenden Jungen einer Musikschule besonnen, der er einmal war.
In Berlin-Lichtenberg wuchs er auf und entdeckte Anfang der 1990er Elektronikmusik für sich — gefühlte Lichtjahre von Mitte entfernt. „Nach dem Mauerfall gab es dann Neonazis am Bahnhof Lichtenberg“, erinnert er sich, „aber auch Jugendclubs, in denen wir anfingen, Technoplatten aufzulegen.“ 15 war er da und mit Kumpel Sascha Funke unterwegs, heute ein bekannter DJ.
Apropos DJs: Nicht, dass Kalkbrenner sich über ihre Gattung stellen wollte, da bleibt er sympathisch geerdet. Doch DJ sei er nun mal nicht. Während ein Discjockey fertig produzierte Musikstücke mal mehr, mal weniger originell abspielt, erzeugt Kalkbrenner seine atmosphärische Elektronikmusik an Ort und Stelle selbst. „Jemand, der auflegt, mischt zwei Audio-Quellen ineinander“, erklärt er.
Ein Elektronik-Künstler, der live spielt, sei aber jemand, der vielspurig arbeitet, hier noch eine „Drum Machine“ und dort einen Synthesizer hat und am Ende alles durch den Mixer jagt. „Ich habe meine Songs sozusagen in Einzelteile zerlegt.“ Und auf der Bühne setzt er diese Spuren nach Lust und Laune neu zusammen.
Ähnlich hat es auch sein Alter Ego Ickarus aus „Berlin Calling“ (2008) gemacht. Der dokumentarisch recherchierte Film von Hannes Stöhr erzählt vom Sturz und Wiederaufstieg eines Elektronikmusikers vor dem Hintergrund der Berliner Club- und Technoszene.
Für Kalkbrenner, der zu diesem Zeitpunkt schon solide im Geschäft war, war das der Durchbruch. Plötzlich tanzten die Fans nicht nur, sondern fingen auch an zu kreischen. Eine Trennung zwischen ihm und der Kunstfigur Ickarus schien es erstmal nicht mehr zu geben: „Die Leute wussten gar nicht, wer ist wer: Ickarus, Paule, watt?!“, berlinert er. „Der tritt sozusagen einfach aus der Leinwand raus, steht dann da und spielt auf einmal diese Musik.“
Alben wie der Soundtrack zu „Berlin Calling“ oder das vor anderthalb Jahren erschienene „Icke Wieder“, das bis auf Platz zwei der deutschen Albumcharts stieg, verkaufen sich hunderttausendfach. Kalkbrenner komponiert sie im Kopf. Bis auf Kollaborationen mit seiner Frau, der DJane Ana Simina Grigoriu, oder seinem Bruder Fritz entwirft er sie gänzlich allein.
Ideen kommen ihm meist in der Stille, dann, wenn nichts ihn stört. Fernab aktueller Trends zieht er seine Inspiration ganz bewusst aus dem Unbewussten. Prägend für ihn war der Radio-Pop in einer Phase, „wo du das noch nicht unterscheidest und gar nicht unterscheiden willst“, sagt er. „Alles ist da gleich gut. Es ist halt Musik.“
Und darin liegt sein Erfolgsgeheimnis: Seit seiner ersten EP aus dem Jahr 1999 bleibt sich Paul Kalkbrenner treu und zieht sein eigenes Ding durch. „Das merken die Leute, die sind ja nicht doof. Eine andere Erklärung habe ich nicht.“