Pianist Joja Wendt: „Ist das gut genug, was ich mache?“

Der Pianist Joja Wendt füllt die Hallen mit seinem Musikmix von Boogie bis Schumann — und kennt trotzdem Selbstzweifel.

Düsseldorf. Eigentlich hat Joja Wendt den Schalk im Nacken und in den Fingern, wie seine launigen Gratwanderungen zwischen allen Genres von Boogie bis Schumann hören lassen. Denn der Pianist brennt nicht nur großartige Tastenfeuerwerke ab, er ist obendrein ein begnadeter Entertainer. Da irritiert es, wenn ausgerechnet dieser quirlige Tastenakrobat über sein neues Programm „Im Zeichen der Lyra“ ganz tiefsinnig wird.

„Im Grunde ist das eine autobiografische Geschichte, die ich erzähle — nämlich sich rausgeworfen zu fühlen aus der Familie der Musiker, sich dauernd zu fragen: Ist das gut genug, was ich mache?“, sagt der 46-Jährige. Spricht da wirklich der erfolgsverwöhnte Joja Wendt über sich? „Je länger ich weitergeschrieben habe, desto häufiger habe ich gemerkt, dass ich immer wieder zu mir zurückgekommen bin“, sagt er über die Entstehung seines neuen Konzertprogramms, mit dem er Samstag in Düsseldorf gastiert. „Es gibt Sachen, da weiß man genau: Das ist das einzige Mal in deinem Leben, dass dir so etwas einfällt.“

So etwas eben wie diese Geschichte von der Orgel, der Königin der Instrumente, die in ihrem alten, versteinerten Turm residiert und dort streng über die anderen Instrumente herrscht. Regeln, Rangordnungen und Partituren sind ihre Bibel, musikalische Freiheit gilt ihr als Blasphemie.

Und als eines Tages das Klavier aufbegehrt und zu improvisieren beginnt, fliegt es hochkant aus der Familie — und landet (dank 3D-Animation) krachend auf der Konzertbühne. Womit ein konzertanter Streifzug durch die Stile und Epochen aus 2000 Jahren Musikgeschichte beginnt — und irgendwo auch die Wendts.

Verbündete (an anderen Instrumenten) habe nämlich auch er damals gesucht, erinnert sich der Pianist an seine Anfänge in verschiedenen Hamburger Bands und Clubs. Und ist doch immer seinen eigenen Weg gegangen.

„Denn ich saß zwischen den Stühlen: Für die Boogie-Leute gehörte ich nicht dazu, denn die fanden es furchtbar, dass ich Jazz studiert habe. Für die Jazzer habe ich mich mit meinem Boogie-Spiel unmöglich gemacht“, sagt der Hamburger. „Und für die Klassik-Anhänger stand ich sowieso außen vor, denn als Pianist verändert man keine Stücke, so wie ich es getan habe.“

Ein wenig Stolz auf den eigenen Trotz schwingt da mit — auch wenn der Starallüren-freie Musiker dieses Gefühl wohl kaum zugeben würde. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sein künstlerisches Selbstbewusstsein ruht.

Zugleich möchte sich Wendt sehr wohl unterscheiden von so manch anderem pianierenden Entertainer. „Anders als die habe ich schon einen musikalischen und kleinen intellektuellen Anspruch“, sagt der Vater zweier Kinder. „Ich möchte möglichst viele Menschen von der Schönheit der Klaviermusik überzeugen, auf dass sie dann vielleicht auch einmal in ein Konzert von Grigory Sokolov, Arcadi Volodos oder Krystian Zimerman gehen.“

Das klappt schon ziemlich gut: Denn bei welchem Künstler sonst schleppen Eltern ihre Kinder mit ins Konzert, um ihnen das Üben schmackhafter zu machen?