Rio Reiser starb vor 15 Jahren

Berlin/Fresenhagen (dpa) - Sein Grabstein auf einem Berliner Friedhof trägt die Form eines Herzens. Direkt dahinter ehrt eine metallene Krone auf einem Zepter den „König von Deutschland“.

Vor 15 Jahren starb Rio Reiser und der Tod des Ton-Steine-Scherben-Sängers riss ein Loch in die deutsche Musiklandschaft. Denn der dürre Mann mit der rauchigen Stimme lieferte die Parolen für die linke Szene („Keine Macht für niemand“, „Macht kaputt was euch kaputt macht“), begeisterte als Solo-Künstler die breite Masse und prägt bis heute deutsche Künstler.

„Seine Musik ist zeitlos und wertvoll. Sie hat vor 30, 40 Jahren gestimmt und ist noch heute in der dritten Generation einzigartig“, sagte einmal die frühere Scherben-Managerin und heutige Grünen-Vorsitzende, Claudia Roth. Zahlreiche Musiker und Bands wie Jan Delay, Echt, Fettes Brot, Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo oder Nena fühlten sich durch ihn inspiriert und coverten seine Songs („Junimond“, „Ich bin müde“, Schritt für Schritt ins Paradies“).

Am 20. August 1996 endete das wilde Leben des Ausnahmekünstlers auf einem Bauernhof im nordfriesischen Fresenhagen. Mit nur 46 Jahren starb Reiser an Herz-Kreislauf-Versagen. Zum Todestag pilgerten alljährlich Fans auf das abgelegene Anwesen, auf dem der Musiker unter einem Apfelbaum begraben lag. Anfang 2011 wurde der Hof verkauft und Reiser auf den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin umgebettet. Es sei eine Art Heimkehr gewesen, erklärt sein Bruder Gert Möbius das Grab im Berliner Stadtteil Schöneberg. „In der Gemeinde wurde Rio getauft, dort haben unsere Eltern geheiratet.“

Ralph Möbius, so der gebürtige Name von Rio Reiser, kam 1950 in Berlin auf die Welt. 20 Jahre später gründete er mit drei Musikern die Band Ton Steine Scherben, in einem Kreuzberger Hinterhof nahmen sie erste Songs auf. Ihr Konzertdebüt gab die Band beim legendären „Festival der Liebe“ auf der Ostsee-Insel Fehmarn. Kurz nach dem letzten Auftritt von Jimi Hendrix betraten die Scherben die Bühne.

„Da die Organisatoren die Gagen für die Künstler und Helfer nicht zahlen konnten, forderte Rio das Publikum auf, den Veranstalter ungespitzt in den Boden zu hauen“, erinnert sich Bruder Gert. Während Reiser „Macht kaputt was euch kaputt macht“ sang, ging das Organisationsbüro in Flammen auf. Das Festival endete im Chaos. Die Band war schlagartig bekannt.

Mit dem „Rauch-Haus-Song“ entstand kurz danach eine Hymne für die linke Szene. Nach den Konzerten der Band seien traditionell Häuser besetzt worden, sagt Möbius. „Bürgermeister und Polizei waren immer in Bereitschaft, wenn die Scherben kamen.“ Mitte der 70er Jahre zogen sich die Musiker auf den Hof in Schleswig-Holstein zurück. „Das Haus war auch für alle eine Fluchtmöglichkeit, eine Oase, ein Ausgang aus dem Wahnsinn des straßenkämpfenden, drogengeschwängerten, von Polizei repressierten Berlin“, erinnert sich Claudia Roth.

Obwohl Kenner die Scherben-Platten zu den einflussreichsten Alben der 70er Jahre zählen, geriet die Gruppe in massive Geldprobleme. 1985 zerbrach die Band. Annette Humpe (Ideal, Ich + Ich) produzierte Rio Reisers erstes Soloalbum „Rio I.“. Statt linker Buchläden sollte nun eine große Plattenfirma seine Titel vertreiben. Die Szene schrie auf, aber Reisers Kompositionen „König von Deutschland“, „Alles Lüge“ oder „Junimond“ wurden bekannte Chart-Erfolge und zeitlose Klassiker.

Politisch engagierte sich der schwule Reiser erst für die Grünen, später wechselte er zur PDS. Auch als Schauspieler machte er sich einen Namen. 1977 debütierte Reiser in dem Film „Johnny West“ und bekam den Bundesfilmpreis in Gold. Ein Jahr vor seinem Tod spielte er die Hauptrolle in einem „Tatort“.

Gert Möbius will künftig mit einem kleinen Museum in Berlin an seinen Bruder erinnern. Deshalb hat er sämtliche persönliche Erinnerungen wie Fotos und Instrumente aus Fresenhagen in die Hauptstadt gebracht. Wo und wann genau das Museum entstehen soll, sei noch unklar. „Möglicherweise aber noch in diesem Jahr in Kreuzberg.“