Robert Francis: Der schüchterne Junge mit der Gitarre
Folk: Verträumte Liedermacher gibt’s wie Sand am Meer, richtig gute Songs schreiben nur wenige. Robert Francis gehört zu Letzteren.
Düsseldorf. Echte Kerle brauchen rohe Gitarren, ein brachiales Schlagzeug und einen diabolischen Bass. Mit anderen Worten: Es muss laut sein, Krach machen, die Ohren betäuben.
Robert Francis braucht das alles nicht. Ihm reichen seine Akustikgitarre und ein Mikrofon. Er ist das, was man Singer-Songwriter nennt. Für manche langweiliges Geplänkel, für andere der Inbegriff schöner Bühnenmusik. Dabei ist der Begriff schwammig: Er beschreibt jemanden, der eigene Lieder komponiert und auch selbst zum Besten gibt. Das aber tun viele - auch die, die Krach machen.
Francis aber ist anders: schüchtern, zurückhaltend und bescheiden. Für seine Musik allerdings gilt das nicht: Viel hat er mit seinen Songs mitzuteilen. Geboren in einer der kreativsten Metropolen der Welt, Los Angeles, wurde Robert Francis der musikalische Grundstein schon in die Wiege gelegt. Sein Vater war Produzent für klassische Musik und konnte sich damit brüsten, eine der größten Plattensammlungen der USA zu besitzen. "Mein Vater hörte Musik in voller Lautstärke. Bis vier Uhr morgens unter fluoreszierendem Licht, während ich versuchte, im Raum nebenan zu schlafen", sagt Robert Francis, wenn er sich an seine Jugend erinnert.
Seine Mutter ist Mexikanerin. Sie wuchs mit neun Schwestern in einem kleinen Dorf auf, das "nur aus schmutzigen Lehmhütten, vernagelten Gebäuden und einem Dorfsäufer bestand, der in der prallen Sonne mit einem Bacardi herumwankte", beschreibt Francis das zweifelhafte Idyll. Seine Mutter war auch die treibende Kraft, die ihn zum Gitarrespielen brachte. Mit sieben Jahren pickte er die ersten Saiten, spielte zunächst alte mexikanische Ranchero-Songs, mit denen seine Mutter in ihrer Heimat aufgewachsen war.
Zwei Jahre später bekam er von einem Freund der Familie seine erste Slide-Gitarre geschenkt. Der Freund war kein Geringerer als Ry Cooder, der schon mit den Rolling Stones, Van Morrison oder Eric Clapton zusammengearbeitet hatte. Außerdem geht die Filmmusik für "Paris, Texas" (1984) des Düsseldorfer Regisseurs Wim Wenders auf Cooders Konto. Der Gitarrenvirtuose sollte nicht der einzige prominente Mentor von Francis bleiben: Mit 16 nahm er Gitarrenunterricht bei John Frusciante, damals noch Mitglied der Red Hot Chili Peppers.
"Ich war daraufhin völlig auf die Idee fixiert, die Schule zu verlassen und von meiner Musik zu leben", erinnert sich Francis. Mit 17 war es dann soweit - er hielt es auf seiner Highschool nicht mehr aus. Er schmiss die elfte Klasse und "ging auf Tour" - wie er es nennt. In Wirklichkeit saß er aber nur rum, trank Alkohol und versuchte, sein erstes Album auf die Beine zu stellen.
Und dann lernte er ein Mädchen kennen, dem er aus heutiger Sicht viel zu verdanken hat: seine Texte. Sie handeln von der fünf Jahre währenden Beziehung. "Ich wartete mit dem Musikmachen einfach nur darauf, bis ich etwas zu erzählen hatte", ordnet Francis das ein. "Ich begann Songs zu schreiben, als ich zum ersten Mal begriff, wie man das Gefühl des Verlustes auf den Punkt bringt."
Auf seinem Debüt "One By One" (2007) verarbeitete er das Ende dieser Beziehung. Die Songs schrieb er aus seinem höchstpersönlichen emotionalen Chaos heraus. Sein zweites Album, "Before Nightfall", das am kommenden Freitag erscheint, sieht er als Reflexion dieser Zeit. Er war - wie er selbst sagt - sehr naiv, als er die ersten Songs schrieb. Nun sieht er sich reifer, erwachsener.
Als Produzent holte der 22-Jährige sich wiederum einen bekannten Namen ins Sunset-Sound-Studio in Hollywood - Dave Sardy. Der Grammy-Gewinner arbeitet sonst mit den härteren Jungs des Rockgeschäfts zusammen: Marilyn Manson, Slayer oder System Of A Down.
Das Resultat ist deswegen aber nicht brachial. Vielmehr sind die neuen Tracks wunderbare Folkrocksongs geworden - "Keep On Running" oder "Nightfall" stechen dabei heraus. Aber auch die erste Single "Junebug" - das wohl klangvollste Stück des Albums - weiß zu überzeugen. Man muss sich auf die Stimmung der Platte einlassen, um sie zu genießen. Und die ist, wie schon gesagt, ruhig. Aber alles andere als schüchtern.