Rolling Stones: 50 Jahre Sex, Drugs and Rock’n’Roll
Die Rolling Stones rocken seit einem halben Jahrhundert, und ihr Hit „I can’t get no satisfaction“ ist immer noch nicht peinlich.
London. Beatles oder Stones? Diese Frage hat Generationen bewegt. Soundtüftler oder Rebellen, „Michelle“ oder „Satisfaction“? Heute ist die Frage Geschichte; die Beatles sind Legende. Die Stones sind immer noch Sex and Drugs and Rock’n’Roll. Und wer seit fast 50 Jahren ungestraft „I can’t get no satisfaction“ singen darf, kann nur eins sein: die beste Live-Band der Welt.
Der 12. Juli 1962 soll die Geburtsstunde der rollenden Steine gewesen sein. An dem Tag gaben sie ihr erstes Konzert im Londoner Marquee-Club. Deshalb ist am Donnerstag der Tag eines Jubiläums, das man früher für unmöglich gehalten hätte: Eine Rockband wird 50.
Dabei galt in den 1960er Jahren „Trau keinem über 30“. Das Lebensmotto hieß „live fast, die young“ (lebe schnell, sterbe früh). Jimi Hendrix und Janis Joplin waren die bekanntesten Opfer. Als Brian Jones unter nie restlos aufgeklärten Umständen 1969 tot in einem Swimming-Pool aufgefunden wurde, war das für viele Fans auch das Ende der Stones. Jones galt als der musikalische Kopf der Band, und mit Nachfolger Mick Taylor ging es definitiv bergab, wenn auch mit ihm die vielleicht beste Stones-Platte, „Exile on main street“, aufgenommen wurde.
Drogen- und Alkoholexzesse brachten die Stones fortwährend in die Schlagzeilen. Entziehungskuren waren an der Tagesordnung. Niemand hätte damals geglaubt, dass Keith Richards älter als 30 Jahre werden kann. Aber schon damals, Anfang der 70er, wurden Jagger/Richards zu Stehaufmännchen. Beide waren auf ihre Art Lieblinge der High Society. Mick Jagger, selbst eher Gentleman, liebte Pomp und Glamour, Richards zog als böser Junge den Jet Set an, zeigte sich zornig, giftete den Geldadel an — und warf mit Geld nur so um sich.
Rio Reiser hat einmal gesungen, „Geld macht nicht glücklich, es beruhigt nur die Nerven, doch man muss es schon besitzen, ums zum Fenster rauszuwerfen“. Dem folgen Jagger/Richards bis heute. Sie haben die Stones zu einer beispiellosen Geldmaschine gemacht. Lachen sich über Firmenchefs halbtot, die tausende von Dollars ausgeben, um vor einer Show für eine halbe Minute einen großen Raum hinter der Bühne mit der Band teilen zu dürfen.
Immerhin kam mit Ron Wood für den glücklosen Mick Taylor der Spaß zu den rollenden Steinen zurück. Klarer Rock’n’Roll, entstanden aus den Wurzeln des Blues, keine Experimente, kein Schnick-Schnack. Das gilt heute noch, auch wenn zwischenzeitlich mit Bill Wyman ein Urgestein die Band verließ — weil es ihm zu viel Rummel war.
Seitdem gibt es nur noch vier echte Stones. Hinter dem Schlagzeug sitzt wie eh und je Charlie Watts. Manchmal glaubt man, er habe sich dort 50 Jahre lang gar nicht wegbewegt. Er ist der ruhende Pol in dieser Rockmaschine. Über 70 ist er jetzt und kann fast goldene Hochzeit feiern. Eigentlich spielt er auch lieber Jazz. Und offiziell ist er der Grund, warum heute und überhaupt in diesem Jahr kein großes Jubiläums-Spektakel ansteht. Denn Charlie Watts spielte sein erstes Konzert mit den Stones am 15. Januar in einem Pub bei London. Deshalb soll es erst 2013 Konzerte zum Fünfzigjährigen geben.
Es könnte natürlich auch sein, dass die angeschlagene Gesundheit von Keith Richards derzeit eine Tour nicht zulässt. Aber über so etwas spricht man nicht im Stones-Zirkus, in dem die Whiskyflasche in der Hand immer noch das Wahrzeichen ist — auch wenn nur Tee drin ist. Wenn die Stones auf Tour gehen, muss das eine geölte Musik-Maschine sein. Und zuvor muss die Spannung ins schier Unerträgliche gesteigert werden. Jagger/Richards arbeiten gerade daran. Es könne gut sein, streuen sie, dass bei der Jubiläumstour Bill Wyman wieder mit an Bord sei. Das wäre dann nach 50 Jahren ein wirklich würdiger Abschied — „Satisfaction“ für die große Stones-Familie.