Ruhrtriennale eröffnet mit Pop-Happening und Pendel-Ballett
Bochum/Essen (dpa) - Zum Auftakt der Ruhrtriennale hat Intendant Heiner Goebbels in Bochum die europäische Erstaufführung des Musiktheaters „Delusion of the Fury“ von Harry Partch präsentiert.
Im Essener Museum Folkwang zeigte Star-Choreograf William Forsythe
„Nowhere and Everywhere at the Same Time No. 2“ - eine Pendelinstallation mit den Besuchern als Mitwirkenden. Bis zum 6. Oktober werden bei dem Festival quer durch das Ruhrgebiet ehemalige Zechen, Stahlwerke und Maschinenhallen zur Bühne für Theater, Tanz und Musikkreationen der internationalen Avantgarde. Auf dem Programm stehen mehr als 40 Produktionen.
In der Bochumer Jahrhunderthalle erlebten die Besucher zum Auftakt am Freitagabend mit „Delusion of the Fury“ von Harry Partch ein Musiktheater, das mehr Happening als Theater und mehr Pop als Neue Musik ist. Die europäische Erstaufführung des amerikanischen Sonderlings war groß angekündigt worden. Auf dem Papier klingt es tatsächlich revolutionär, was Partch (1901-1974) in der Wüste Kaliforniens, weitab vom klassischen Musikbetrieb, seinerzeit austüftelte. Er erfand nicht nur sein eigenes Tonsystem, sondern auch die entsprechenden Instrumente.
Zwei Jahre hat der Kölner Instrumentenbauer Thomas Meixner gebraucht, um die exotischen Ungetüme nachzubauen. Diesen Gerätepark, bedienen die Musiker mit rastlosem Eifer, springen hin und her und fungieren nebenher auch als Darsteller und Sänger. Klaus Grünberg hat das pittoreske Orchester mit einer Landschaft aus schwarzen Plastik-Wülsten umgehen. In der Mitte schlängelt sich ein Wasserlauf. Die Lichtstimmungen wechseln ständig, und Nebel wabert über den Wassern. Triennale-Intendant Heiner Goebbels verantwortet die Regie, deren Konzept schwer auszumachen ist, zumal ohnehin Harry Partchs Klangkosmos und die aufwendigen Aktionen, diesen hervorzubringen, im Vordergrund stehen.
Partchs Musik mixt Elemente der Minimal Music mit archaischen Urklängen, es tönt mal asiatisch, mal indianisch. Weitgehend gleichförmig aber zieht sich ein gefälliger, poppiger Drive durch die Partitur, der auf Dauer eintönig wird. Fazit: Ein belangloses Hippie-Revival, auf dem der Staub der 1970er Jahre liegt.
Im Essener Museum Folkwang bat Star-Choreograf William Forsythe die Besucher zum Tanz. Statt Profis auf einer fernen Bühne gibt es in dieser Installation die Ausweichmanöver der Gäste als Choreografie. 311 von der Decke schwingende Pendel diktieren Takt, Rhythmus und Laufwege. Am Samstag feierte „Nowhere and Everywhere at the Same Time No. 2“ Premiere.
Forsythe versteht sein Werk als choreografisches Objekt. An Nylonfäden bis auf den Boden herabhängend schwingen die faustgroßen Pendel von Seite zu Seite, jedes für sich der Logik folgend, die Forsythe ihnen vorgegeben hat. Die Zuschauer sollen sich ihren Weg durch den Pendel-Wirrwarr bahnen. Der spielerische Ansatz, das Einbezogen-Sein machen den Gästen spürbar Freude. Die stetig wiederkehrenden Bewegungen, die kleinen Rhythmusstörungen, die die „Tänzer“ dem Pendelspiel versetzen, verzaubern.
Die Erprobung der Wahrnehmung durch Interaktivität - das ist das große Thema der meisten diesjährigen Ruhr-Triennale-Installationen. Mit Wucht gelingt dies etwa im Duisburger Landschaftspark Nord. Auf dem ehemaligen Industriegelände testet der japanische Komponist Ryoji Ikeda mit „test pattern“ die Grenzen der Belastbarkeit der Besucher: Sie betreten eine ausgerollte Leinwand, auf der in rasendem Tempo flackernde Barcodes durchrauschen, untermalt von lauten Störgeräuschen.
Betreten werden soll auch der gigantische Wasserturm auf der Zeche Zollverein der Londoner Künstlergruppe Random International. 25 000 Liter Wasser rauschen den „Tower“ hinab. Die Wasserwand imitiert und konterkariert die kastige Architektur der Industriegebäude und ist gleichzeitig Anspielung an die aufwendige Grubenwasserhaltung im Ruhrgebiet.
Für Festival-Intendant Heiner Goebbels gehört es zur Natur des Kunstfestivals, dass die Werke zum Mitmachen auffordern. „Ich will nicht einfach Bilder aufhängen oder eine Skulptur präsentieren.“