Russischer Operndirektor setzt „Tannhäuser“ ab
Nowosibirsk (dpa) - Nach Kritik der russisch-orthodoxen Kirche an einer Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ hat der neue Chef der Oper in Nowosibirsk das umstrittene Stück abgesetzt.
Es sei kein Gespräch mit Regisseur Timofej Kuljabin über Änderungen möglich gewesen, begründete Direktor Wladimir Kechman am Dienstag die Entscheidung. Zuvor war Operndirektor Boris Mesdritsch entlassen worden, weil er Änderungen an der von Musikkritikern und vom Publikum gelobten Regie abgelehnt hatte.
In einem Brief dankte Kuljabin dem entlassenen Mesdritsch dafür, dass dieser die Freiheit der Kunst bis zuletzt verteidigt habe. „Danke dafür, dass Sie standhaft und mutig unseren "Tannhäuser" unterstützt haben. Sie sind für mich ein Beispiel an Weisheit, Ehre und Würde in diesem Beruf“, schrieb der Theatermacher der Staatsagentur Tass zufolge. Kuljabin arbeitet als leitender Regisseur am Nowosibirsker Theater Krasny Fakel (Rote Fackel).
Der Theaterskandal gilt als beispiellos in Russland. Künstler und Menschenrechtler werfen dem Kulturministerium „Zensur“ und Verstöße gegen die Kunstfreiheit vor. Kirchenführer hatten Kuljabin und Mesdritsch wegen Verletzung religiöser Gefühle angezeigt. Ein Gericht in der Millionenstadt lehnte es aber ab, die Inszenierung zu verbieten. Religionswissenschaftler hatten in Gutachten den kirchlichen Vorwurf der Gotteslästerung zurückgewiesen.
In einer Szene der Aufführung, die im Dezember in Nowosibirsk Premiere hatte, ist Jesus als Filmfigur mit halbnackten Frauen zu sehen. Das Kulturministerium hatte kritisiert, dass solche Szenen in einem mit Steuergeldern finanzierten Staatstheater „unzulässig“ seien. Teile der Bevölkerung fühlten sich beleidigt, hieß es. Vor dem Theater war es zuletzt auch zu Protesten von Gegnern der Aufführung gekommen.
Zehntausende Theaterfreunde hatten sich dagegen an einer Unterschriftensammlung für Kuljabins „Tannhäuser“ beteiligt. Der mit mehreren Preisen ausgezeichnete 30-Jährige gilt als Jungstar der Theaterszene in Russland. Auch in der russischen Hauptstadt hatten Theaterintendanten, prominente Schauspieler und viele andere Kulturschaffende gegen einen Eingriff von Konfessionen in die Kunstfreiheit protestiert.
Die russisch-orthodoxe Kirche, die als wichtige Machtstütze des Kreml gilt, sieht sich als unanfechtbare moralische Instanz. Zur Stärkung ihrer Position in der russischen Gesellschaft hatte das Parlament zuletzt auch ein Gesetz zum Schutz religiöser Gefühle erlassen.